Aktuelles: Bericht Argentinien-Rundfahrt (17.2.-8.3.2000)
17.2.2000:
Schon die Hinterlegung des Last-Minute-Tickets hatte nicht geklappt, es lag bei einem anderen Schalter und der Hinweis darauf war mikroskopisch klein angebracht - nach viel Aufstand und Dauerläufen habe ich dann mein Gepäck aber wirklich 1min vor Toreschluß eingecheckt. Nach 16 h Reise empfing uns Buenos Aires gegen Mitternacht mit einer unglaublich schwülen Hitze, hier trafen wir mit der anderen Hälfte unseres Teams zusammen, die schon 1,5 Tage unterwegs gewesen war. Wir sollten abgeholt werden - niemand war da! Also für 100 Dollar (Argentinien ist ein durchaus teures Land!) einen alten Taxi-Jeep gemietet, 6 Räder, 12 Koffer/Taschen und 6 Rennfahrer hinein und Downtown geschippert, zu dieser Nase hin. Nach ewigem Warten und Diskussionen wurden wir schließlich noch in dieser Nacht mit einem Kleintransporter 300km nach Rosario gebracht (400 Dollar), dem Startort der Vuelta, dort fand sich dann auch irgendwie das vorbestimmte Hotel und nach 28 Stunden Dauerreise und kaum Schlaf fielen wir gegen 6 Uhr morgens Ortszeit (4 Stunden Zeitverschiebung) halbtot in die Betten. Diese recht ausführliche Einleitung mag verdeutlichen, wie es in punkto Organisation die restliche Zeit weiterging: nichts ist richtig organisiert, keiner weiß richtig Bescheid, oftmals kursieren gegensätzliche Gerüchte, es wird ewig diskutiert, kaum einer aber greift einmal richtig zu und durch, Improvisation und starke Nerven ist alles!
Unser
Team:
Wir wollten alle die ersten Rennkilometer sammeln, uns möglichst teuer verkaufen und zumindest durchfahren. Es stellte sich dann heraus, daß wir alle, mit Ausnahme unseres recht unerfahrenen Sebastian (der sich aber für seine Verhältnisse achtbar schlug), immer voll im Bild waren, im Feld vorne zu finden und in der Windkante meist in der ersten oder zweiten Staffel und das war beileibe nicht leicht! Die ersten drei Tage gehörten dem Training und der Akklimatisation (das war auch bitter notwendig), sowie noch einigen organisatorischen Dingen wie Auslandsstartgenehmigungen (einige fehlten und die Form wurde nicht anerkannt) und finanziellen Belangen mit der Organisation.
Unsere Gegner:
Die Südamerikaner stehen mitten in ihrer Saison und voll im Saft, wollten diesen Saisonhöhepunkt mit allen Mitteln gewinnen. Die drei polnischen Mannschaften wurden vom polnischen TV (PolSat, jeden Tag live!) begleitet und kämpften wie die Berserker, die jungen Kasachen brachten eine selbstmörderische Attacke nach der anderen und Mapei als renommierteste Mannschaft hielt kräftig dagegen ....... Es wurde sehr hart gefahren, nicht die ganze Zeit uferlos schnell, sondern eher im Sinne eines ewigen "Steckens" und Positionskampfes, v.a. an der Windkante, die ja an den ersten 8 Etappen vorherrschte. Dafür gab es eigentlich nicht so arg viele Stürze, leider aber eben einen Todesfall (s.u.). Ich bin verschont geblieben, auch die Defekthexe hat mich nur ein Mal (!) erwischt.
21.2.2000: Prolog 6km
Ohne Zeitfahrmaterial gab es für mich als besten Leipziger gleich mal 48 Sekunden auf den Latz, das ergab den 53. gesamt. Viel wichtiger und beruhigender für uns alle war aber die Tatsache, daß die Organisation uns neben zwei (leider recht unmotivierten) Fahrern mit Bus und PKW einen Masseur/Mechaniker zugeteilt hatte, den wir quasi im Gegenzug zu unseren Anfahrtsspesen bekamen, sowie einen jungen Schüler, der Englisch konnte. Martin war dann so etwas wie ein Läufer für uns und leistete gute Arbeit. Diese Investition war aber Gold wert, Fabian war ein junger, sehr fixer, ehemaliger Rennfahrer, mit goldenen Händen und guter Aktion im Begleitfahrzeug. Ohne die tägliche Massage wäre es für mich z.B. sehr schwer geworden!
22.2.2000: 1.Etappe 175km
Unglaublich heiß und schwül (40°C), viele Rennfahrer, die noch ganz cool ihre Hosen und Trikots hochkrempelten, waren am nächsten Tag schwer verbrannt! Die Sonne ist dort aufgrund der dünnen Ozonschicht kein Spaß mehr! Trotz Vorbräunung, hohem Schutzfaktor und der Tatsache, daß ich eher ein dunkler Typ bin, habe auch ich mir noch mehrmals einen leichten Sonnenbrand geholt. Dann ging es endlich los und sofort auf die Windkante. Beim ersten großen Angriff zog ich 30km lang mit durch, leider lief die Gruppe nicht. Im Wind und auf der Ebene fühlte ich mich eigentlich recht wohl, auch das Finale zum Schluß bereitete mir keine Schwierigkeiten. Kurz vor dem Ziel ging es mit einem Höllentempo (80 km/h) leicht bergab in einen Tunnel unter einem Fluss hindurch, später ansteigend, vor dem Ziel dann sehr schlechte Straße und höllisch gefährlich mit einigen üblen Stürzen, das Ziel lag am Ende einer Kopfsteinpflasterwelle (großes Blatt), das war schon recht schwer! 58. und nun 50. gesamt, keiner von uns konnte weit vorne landen. Gesoffen haben wir alle wie die Rindviecher, ich glaube, mindestens 10 Flaschen habe ich weggegurgelt.
23.2.2000: 2.Etappe 200km
Heute war es noch heißer, etwa 45°C, dafür etwas trockener. Wieder tellerflach, der Wind war aber stärker und mehrmals wurde das Feld an der Windkante gründlich zerlegt, dabei wurde an der Rückenkante ein Dauertempo von bis an die 60km/h vorgelegt. Gott sei Dank konnte ich mich in der ersten Staffel auch mit viel Ellbogen behaupten, später lief wieder alles zusammen, zwei Gruppen gingen und so ergaben sich 15min Rückstand im Ziel! Das Rennen war statt 175km mal so eben 200km lang, das Finale mit tiefen Löchern, Sprunghügeln, Metallabgrenzungen, Sand und Kopfsteinpflaster war wieder typisch für die ganze Rundfahrt, in der ich besonders im Massenspurt nie reingehalten habe. 66. und immer noch 50. gesamt, Ralf hat heute mit einem 14. unsere Ehre gerettet.
24.2.2000: 3.Etappe 165km
Das Ende vom Lied war dann, daß die geplanten 210km wegen der drohenden Dunkelheit nicht gefahren werden konnten, es mußte eine andere, kürzere Strecke gewählt werden, die aber so schlecht war, daß wir Rennfahrer gebeten wurden, die ersten 60km langsam zu fahren, danach wäre der Belag besser. Es ging die Mär, daß die Argentinier, die ja das rote Trikot des Führenden hatten, unbedingt diesen Tag "Ruhe" brauchten und deshalb alles so eingefädelt wurde. Die Polen waren auf jeden Fall furchtbar sauer und kaum zu bändigen, wahrscheinlich sind bei denen daheim solche Straßen der Normalzustand. Nach 60km tat sich sofort eine irre Rückenkante auf, die Straße wurde aber nicht besser, alles voller Löcher, Rinnen und Sand. Nach fast 10km voller Adrenalin, Positionskämpfen, Stürzen und Defekten am laufenden Band meuterten die Fahrer und die Rennleitung neutralisierte die Etappe bis 30km vor dem Ziel. Bei fast 60km/h "einlochen" ist kein Spaß, fast spaßig ist es aber, Spinergy-Laufräder u.ä. platzen zu sehen! Die letzten 30km waren dann auf guter Straße ein wirklich rauschendes Finale mit einem wiederum ziemlich üblen Massensprint, wobei noch ein Hund in das hintere Feld hineinlief und einen schweren Sturz verursachte. Ich war heute wirklich froh, gesund ins Ziel gekommen zu sein, denn ich habe wie alle anderen auch viel Risiko genommen. 90.Platz und jetzt 60. gesamt.
Vom
Schwitzen und vom Verkehr:
Alle Autos in Argentinien scheinen einen defekten Auspuff zu haben, die Geräuschkulisse ist enorm. Start und Ziel waren natürlich jeweils in den Städten, die Hotels also auch. So lag man schwitzend im Bett, vollgefressen, denn die Hauptmahlzeit des Tages mit Fleisch und allem Pipapo gab es immer erst ab 21 Uhr oder später und der Verkehr lief die ganze Nacht durch Dein Bett. An Tiefschlaf war für mich nicht zu denken. Vielleicht bin ich etwas empfindlich, aber dieser Tatsache schreibe ich es für mich ganz persönlich zu, daß ich mich etwa ab der Hälfte der Rundfahrt immer schlechter regenerieren konnte, ich sehnte mich wirklich nach ungestörtem Schlaf, aber den habe ich erst wieder in München bekommen.
25.2.2000: 4.Etappe 140km
Es war mein vielleicht bester Tag in dieser Rundfahrt, immer in der ersten Staffel, immer in Gruppen unterwegs, ich hatte einfach super Beine und es lief mir traumhaft. Leider kam im Finale wieder alles zusammen, die vorletzte Attacke ging ich noch mit, die nächste war es dann, ich blieb im Feld hängen und durfte wieder einen deftigen Massenspurt um Platz 9 erleben ("mittendrin statt nur dabei"). 67. und immer noch 60. gesamt. Kaum fährt man einmal auffällig, so wird man schon zur Dopingkontrolle "gelost", so ging es eigentlich jeden Tag bei uns Ausländern, wenn überhaupt eine Kontrolle war.
26.2.2000: 5.Etappe 160km
Für eine kurze Zeit gab es dann Rückenwind und es kam etwas Ruhe ins Feld, zwei Argentinier fuhren dann ab und waren trotz der vereinten Bemühungen von Mapei und allen Polen im Finale, in welchem bei Rückenwind mit bis zu 80km/h dahingeschossen wurde, nicht mehr einzuholen. Inzwischen murrten die europäischen sportlichen Leiter mehr als laut, denn diese Sache stank mehr als deutlich nach Benzinfahren. Noch dazu kam der Sieger aus San Louis, dem Etappenzielort. Ich war zufrieden, im Verlaufe der Etappe wieder einigermaßen gute Beine bekommen zu haben, wurde 72. und jetzt 57. gesamt. Das Feld hat nach hinten schon einige Verluste und Riesenrückstände, wer einmal an der Windkante "aufgeht", handelt sich gleich einmal eine halbe Stunde ein, was auch immer einhergeht mit einem wahnsinnigen Kraftverlust. Unser Sebastian, der in seinem ganzen Rennfahrerleben noch nie eine Windkante gefahren ist und als Maximalgang 53:13 bewegte, erwies sich als wahrer Künstler und Hans im Glück zwischen den Autos und abgefallenen Gruppen und nicht zuletzt durch wirklich auch vorhandenes fahrerisches Potential schaffte er es immer wieder, Anschluß an das Hauptfeld zu finden. Ralf Keller meinte dazu, daß soviel Glück 10 Rennfahrer zusammen nicht hätten. René hat super reingehalten und kam auf einen tollen 6.Platz!
27.2.2000: 6.Etappe 160km
Und wieder Windkante! Mit MTB-Einlagen durch den Sand! Es war z.T. schon haarsträubend. In Lateinamerika aber gilt man als feige und unmännlich, wenn man sich über so etwas beunruhigt, immer erst muß etwas passieren, damit es sich bessert und leider passierte es dann am nächsten Tag. Das Tempo steigerte sich von Runde zu Runde, im Finale war ich in einem Sturz verwickelt und mußte lange alleine um den Anschluß kämpfen mit allem was ich hatte (54:11), danach waren meine Körner total verbraucht und ich hatte zu tun, um auf der Kante nicht fliegen zu gehen. Dies passierte leider Ralf, unserem besten Mann im Gesamtklassement und Sebastian. Nach einem 46er-Schnitt hatten sie beide 15min an der Backe. Ich hatte wieder meine üblichen Mittelplazierungen: 64. und jetzt 55. gesamt.
28.2.2000: Todessturz auf der 7.Etappe
Alle fuhren am Anschlag, die Staffel rollte recht gut, wir nutzten die gesamte Straßenbreite, jeder führte mit. Probleme gab es erst, als wir die ersten Geplatzten aus der ersten Staffel auffuhren: erst acht, dann drei, dann noch einmal drei. Unsere Gruppe wurde zu groß, jeder wollte in die Staffel, es gab sehr harte Kämpfe am Dosenöffner. Ich kam gut zurecht, wahrscheinlich sehe ich wuchtig genug aus. Saul Morales von Fuenlabrada und ein Schweizer von Saeco verhakten sich an der Grasnarbe, Saul kam mit 50km/h von der Straße ab. Ein LKW kam auf der Schotterpiste neben der Straße mit 50km/h entgegen, macht zusammen 100. Er hat wahrscheinlich nicht viel gespürt. Sein Rad schlug es ins Feld zurück, einige Fahrer fielen drüber, auch unser Carsten, der brach sich daraufhin das Schlüsselbein doppelt ab. Markus und ich waren in der Staffel, wir haben überhaupt nichts gemerkt, so toste der Wind und wahrscheinlich das Blut in unseren Ohren. Das Rennen wurde sofort abgebrochen, die Wut und die Trauer der Rennfahrer, sportlichen Leiter und der Verantwortlichen entlud sich auf verschiedenste Weise. Die meisten Renner wollten sofort aufhören, denn schon in den vergangenen Etappen herrschten z.T. chaotische Zustände. Die Organisation brachte es einfach nicht fertig, den Verkehr zum Stehen zu bringen, mehr als einmal flogen die Trinkflaschen gegen entgegenkommende Autos, dabei barsten auch einige Windschutzscheiben. Es mußte etwas Schlimmes passieren, das ungute Gefühl hatten wir alle. Die Vuelta stand vor dem Abbruch. Das Feld rollte noch 2 Stunden in Doppelreihe neutralisiert dahin, selbst da konnten die wenigen entgegenkommenden Autos nicht zum Halten gebracht werden, was einige Fahrer bis zum Wahnsinn reizte. Immer wieder hielten die Fahrer an, diskutierten, schließlich stoppte die Polizei, die ohnmächtig eingestehen mußte, daß in diesem Land kein Respekt vor der Exekutive herrscht, das Peloton und alles wurde nach langer Warterei in Busse verladen. 3km vor dem Ziel starteten wir mit Trauerflor am Arm und wehender spanischer Flagge unter dem Kondolenzbeifall vieler Tausende erneut und hielten im Ziel eine Schweigeminute. Alles recht theatralisch, der Direktor der Vuelta, der sich die ganze Rundfahrt über sehr in Eigendarstellung übte, umarmte die Fuenlabrada-Fahrer, einer stieß ihn allerdings sehr böse zurück. Fuenlabrada und Mapei verließen das Rennen, einen Tag später folgte Mat Ceresit. Die folgende Vormittagsetappe entfiel, weiter sollte es mit dem Zeitfahren gehen. Es wurde in punkto Sicherheit Besserung gelobt, aber es war klar, die Organisation spielte auf Zeit und stellte alles als einen Unfall hin. Fakt bleibt, der LKW hätte stehen sollen, nicht fahren und das soll das Gewissen der Verantwortlichen belasten! Der LKW-Fahrer wurde übel zugerichtet, blutig geschlagen und unter Anklage gestellt, aber das macht Saul auch nicht wieder lebendig, es hätte aber einen jeden von uns treffen können!
29.2.2000: 8.Etappe, Einzelzeitfahren
28km
Ich half mir, indem ich mich vollkommen auf das Zeitfahren konzentrierte. Leider hatte ich kein Zeitfahrrad, keinen Zeitfahrlenker oder eine Scheibe, der Kurs war aber optimal für mich. Auf einer Autobahn, mit leichten Anstiegen über Brücken, sehr windig. Es war klar, mit einer guten Leistung konnte ich mich in die ersten 30 im Gesamtklassement fahren, meine Beine sprachen allerdings dagegen. Ich gab alles und hatte lange die Bestzeit, sah aber allerdings auch, wie ganz offen geschummelt wurde (Benzinfahren, rein-raus mit Eingeholten, etc.). Die Europäer, die auf Gesamt fuhren, explodierten fast in der sowieso schon angespannten Stimmung. Die Argentinier wurden so klar - auch mit unfairen Mitteln - bevorteilt, so etwas kann es auf einer deutschen Rundfahrt nicht geben. Schließlich wurde ich 25., nachdem meine Zeit mal schnell um 32sek nach oben korrigiert wurde (entgegen meiner eigenen Stoppung), sonst wäre ich 17. geworden, nur wenige Sekunden hinter unserem Bahnweltmeister Christian Lademann. Gesamt rutschte ich auf den 36.Platz gesamt, wurde in diesem Zeitfahren zweitbester Deutscher. Schließlich ging noch eine ganz pikante Geschichte über den Ladentisch: Der Sieger des Zeitfahrens hatte angeblich dem Dopingkontrolleur einen kalten Urin präsentiert. Der zuckte misstrauisch und verlangte eine neue Probe. Daraufhin versuchte der Fahrer, die Probe mit einer mitgebrachten Trinkflasche, in der sich, wie sich dann herausstellte, Urin befand, zu manipulieren. Es kam auf und er mußte sich nackt ausziehen und unter gestrengen Augen schließlich sein Wasser lassen .......... Es handelt sich ja nur um den Sieger der Rundfahrt, aber nicht wenige vermuten, daß diese Geschichte unter den Teppich gekehrt wird, welch ein Indiz!
1.3.2000: Ruhe-
und Transfertag
2.3.2000: 9.Etappe 135km
Ich fuhr mit allem und klar über meine Verhältnisse, schaffte es irgendwie im Spitzenfeld von noch 40 Mann zu bleiben und kam halbtot als 39. im Ziel an. Markus gab noch einmal alles und wurde achtbarer 9.! Gesamt war ich jetzt 32., aber ich machte mir keine Illusionen, auf der morgigen Königsetappe würde ich den Anker werfen müssen. Immerhin war ich auf dieser Rundfahrt klar der dienstälteste Fahrer, was leider auch immer vom Sprecher hinausposaunt wurde, Ralf war mit seinen 37 Lenzen der Zweitälteste, dann kamen noch drei 32-Jährige, dann nur noch Jungspunde .......
3.3.2000: 10.Etappe 195km
(Königsetappe)
Abends war ich völlig fertig und hatte überhaupt keinen Appetit, ein sehr schlechtes Zeichen. Was aber hinten alles kilometerlang an den Autos hing, war ungeheuerlich und im höchsten Grade unsportlich. So etwas gibt es auf einer europäischen Rundfahrt nicht. Auf der letzten Abfahrt gab es einen Schauer mit Hagel, es war wirklich sehr unangenehm. Da soll der Träger des grünen Trikots für eine Viertelstunde ins Auto gestiegen, in diesem gefahren und später wieder im Rennen mitgerollt sein! Alles egal, dies war ein Vorbereitungswettkampf und jetzt ging es für mich um das nackte Überleben. Ralf, Rene und Markus hatten sich etwas besser gehalten, gingen aber auch auf dem Zahnfleisch.
4.3.2000: 11.Etappe 130km
Oben auf 2400m war das Wetter allerdings mehr als unwirtlich, Sturm und Regen. Die Schweizer stiegen fast alle ins Auto, unsere Gruppe stand bockstill. Ich bin einfach weitergefahren und wieder wurde es ein 80km langes Zeitfahren. 20min bekam ich am Ende und 11min hatte ich auf meine ehemalige Gruppe herausgefahren, war 42. und schließlich 46. gesamt. Nur noch 59 Fahrer waren nach dem heutigen Tag im Rennen, Markus hatte es auch erwischt, in meiner Gruppe brach ihm das Schaltungsauge ab.
5.3.2000: 12.Etappe 145km
1.650 Rennkilometer lagen
hinter uns und eine dreitägige Heimreise vor uns, allerdings etwas
geordneter ablaufend als unsere Hinreise. So gab es einen Transferflug
nach Buenos Aires, eine organisierte Abholung durch unseren Martin und seinem Vater
mit einem großen Van, sowie eine Übernachtungsmöglichkeit
bei unserem Freund Ernesto, dem Pressekoordinator der Vuelta, der uns auch
noch zu einem tollen Abendessen ausführte und uns noch etwas von Buenos
Aires zeigte. Schließlich mieteten wir noch recht billig einen Lastwagen,
schipperten zum internationalen Flughafen und nach einem langen Flug durften
wir wieder nasskaltes deutsches Wetter genießen! |