Aktuelles: MTB-Etappenrennen "Beskidy-Trophy" (Polen) 07.-10.06.12
Schon bei der winterlichen Saisonplanung hatte ich dieses berühmt-berüchtigte, spektakuläre MTB-Etappenrennen fest im Visier. Nach meinem krankheits- und verletzungsbedingt schlechten Winter und der etwas mauen Frühjahrsform gewann aktuell dieses Event als letzte Vorbereitung auf die anstehenden Meisterschaften ziemlich an Bedeutung in meinem Rennprogramm. Die Beskiden sind das Herzstück der Karpaten, einem ziemlich wilden Mittelgebirgszug durch mehrere Länder des ehemaligen Ostblocks. Das Rennen spielte sich um das polnische Istebna herum ab, mit Ausflügen in das nahe Tschechien und in die Slowakei. Wirklich auffallend war der sehr hohe Trailanteil mit z.T. erheblichen fahrtechnischen Anforderungen, wie man sie kaum bei deutschen CrossCountry-Rennen, schon gar nicht aber bei deutschen Marathons findet. Die andauernde Nässe, Schlamm und andere traktionsmindernde Kleinigkeiten brachten neben dem Streckenprofil wirklich harte Belastungen.
06.06.12: Anreisetag Es ging dann zum Beine lockern per Rad in das Festivalgelände zur Akkreditierung und nach einer Stunde Pedalieren auf der Straße wieder zurück. Es hatte tagelang schwer geregnet und der Blick in das Gelände verhieß nichts Gutes. Unsere Zimmer waren rustikal, aber sauber und inklusive Halbpension sehr billig, wobei die Warmwasserversorgung ein Problem bleiben sollte. Immerhin hatte unser Radabstellraum sogar eine Alarmanlage! Ein polnisch typisches, eher fett- und eiweißreiches Abendessen beschloß diesen sehr langen Tag und ich verbrachte eine halbwegs gute Nacht.
07.06.12: Sieg
auf Etappe Nr.1 "Skrzyczne",
66km, 2.300Hm Leider begann ich bei all der Aufholerei wie ein Frischling zu spät mit dem Essen und Trinken, bei der ersten Verpflegung unterließ ich dummerweise das Auffüllen der Flasche. Bei der zweiten Verpflegung nach gut zwei Drittel der Renndistanz lag ich auf einem sehr guten 30.Gesamtplatz und in meiner Altersklasse mit fast 4min an der Spitze. Dann jedoch begannen die Krämpfe, ich konnte nur noch einen Leiergang fahren, wurde bis zum Ziel ziemlich schwarz und auf den 52.Platz durchgereicht, gewann jedoch trotzdem meine AK noch mit 1min Vorsprung. Mir war klar, daß diese Dehydrierung samt Hypoglykämie ein unverzeihlicher Fehler war und mir sicherlich noch in den folgenden Tagen in den Kleidern hängen würde. Bis zum Abend versuchte ich, den Flüssigkeits- und Mineralienverlust auszugleichen, durfte eine stimmungsvolle Siegerehrung genießen, betrieb Materialpflege am verschlammten Rad und genoß wiederum ein polnisches Dinner nach Muster des Vorabends. In der Nacht schlief ich allerdings sehr schlecht und fühlte mich total kaputt.
08.06.12: Ehrenplatz
auf Etappe Nr.2 "Javorovy/CZ",
80km, 2.800Hm Bei wiederum sonnigem und fast heißem Wetter stand ich heute endlich vorne im Startblock und konnte mich auch in der 10km langen Neutralisation in Straßenfahrermanier gut vorne halten. Dann ging es für lange Zeit in den tschechischen Wald und ich fuhr meinen Rhythmus. Es ging einigermaßen gut, ich verpflegte mich von Anfang an ordentlich und kam sehr gut durch die zahlreichen fahrtechnischen Schwierigkeiten, wahrscheinlich weil ich nicht so am Limit war. Höhepunkt war eine sehr lange, steile, schmierige, wurzelige und verblockte Serpentinentrailabfahrt in eine Schlucht hinunter, die überdies noch einige senkrechte Shortcuts als Mutproben aufwies. Da hatte ich eine Sternstunde und es ging äußerst flink und flowig mit reichlich Adrenalin an vielen Gestürzten, Schiebenden und Zauderern vorbei. Meine Altersklassenkollegen hatten da wenig zu lachen und wieder lag ich bei der letzten Verpflegung deutlich an der Spitze. Natürlich konnte ich das nach der gestrigen Vorgeschichte nicht halten und die letzten beiden langen Steilanstiege zogen mir etwas den Zahn. So hielt ich auch nicht dagegen, als mich der gestrige Zweite, Kamerad Marek aus Polen, mit seinen 59kg überholte. Ziemlich breit eierte ich schließlich als AK-Zweiter und Gesamt-54. ins Ziel und mußte wiederum die bergigen 9km heim nach Polen radeln, was sich letztendlich wie eine Stunde anfühlte. Das Restprogramm des Tages gestaltete sich wie gestern, nur daß es diesmal eine Medaille statt einem Pokal gab und daß der Dampfstrahler noch intensiver eingesetzt werden mußte. Das gewohnt schwere Abendessen tat trotzdem gut. Später nahm ich eine halbe Schlaftablette, denn ohne Schlaf und nur mit Herumwälzerei ist so ein Rennen nicht durchzustehen. Nachts begann es dann zu regnen.....
09.06.12: Ehrenplatz
auf Etappe Nr.3 "Rysianka", Königsetappe, 75km,
3.000Hm Heute morgen ging es mir besser. Der Regen hatte aufgehört, es war neblig und kühl. Ich hatte Appetit, verleibte mir unter dem Gelächter der anderen deutschen Fahrer gleich mal eine große Bockwurst mit Senf ein und ging mit der selben Zielstellung wie gestern ins Rennen. Diesmal waren Start und Ziel wieder in Istebna und das Profil wies u.a. einen Hammerberg mit fast 1.000Hm, erreichbar offensichtlich ausschließlich über Singletrails, auf. Vom Start weg konnte ich ein gutes Tempo gehen, aber schon nach dem ersten Berg verfuhren sich mehrere Gruppen und kamen von dem ansonsten stets tadellos markierten Kurs ab. Bis der Fehler korrigiert war, verlor ich sieben bis acht Minuten und ärgerte mich fortan angesichts meiner guten Beine sehr über diese schwere Hypothek. Um es vorweg zu sagen: ich traue mich zu behaupten, daß ich heute ohne diesen Lapsus sicher gewonnen und die Gesamtwertung wieder offen gestaltet hätte, denn der ortskundige Polen-Marek war hinter meiner Gruppe natürlich richtig gefahren. Das Gelände war schwer verschlammt und die Abfahrten richtig sportlich. Nach dem Verfahrer mußten auf den Trails erst mal Hobbyfahrer überholt werden, was sich als durchaus gefährlich herausstellte. Ich überzog nicht und war auch etwas demotiviert. Wie gestern bemühte ich mich um einen flüssigen Gang und kam im Nebel und Niesel sehr gut auf den Rysianka (1.350mNN) mit all seinen Steilstufen und Tragepassagen einem scheinbar unendlichen Grat entlang. Dann ging es bergab. Und zwar höllisch. Zuerst sicher 3km am Stück auf einem steilen, mit glitschigen Felsen verblockten Singletrail. Woher ich den Mut nahm, weiß ich nicht, aber ich ließ es laufen, sicher und flowig vorbei an vielen Fahrern, die stehenbleiben mußten, weil sie ihre Arme einfach nicht mehr spürten, ihr Bike trugen, Durchschläge reparierten, Sturzschäden begutachteten und andere Mimosengeschichtlein mehr. Anschließend ging es einen Grattrail mit stetem Ausblick in den Abgrund entlang, wohl dem Attribut gefährlich (siehe oben) gehorchend. Nasse Schrägwurzeln Richtung Abgrund zeigend sowie große, rutschige Felsen machten die Sache wirklich schwierig und riskant. Ich hatte wieder eine Sternstunde und kam ohne Absteigen wirklich flüssig durch. Marek erzählte mir später, er hätte großteils sein Rad geschoben.... Später wurde daraus ein flowiger, schneller Wiesentrail, immer noch am Grat entlang. Danach ging es im Höchsttempo über erodierte Waldwurzelpfade. Ein Gedicht! Nach unendlich langer Abfahrt waren die Nebennierenrinden total adrenalinentleert und man selbst mit lockeren Zahnplomben im Tal, wo es dann stark zu regnen begann. Plötzlich wurden auch meine Beine nochmals stark, denn der lange, eher flache Finalberg lag mir und ich konnte richtig Gas geben. Die letzte technische, wieder sehr lange Abfahrt war dann auch meine Welt und ich holte weiterhin Fahrer ein, zum Ende hin dann auch den momentan in der AK an zweiter Position liegenden Polen, den ich dann beim Endspurt im Stadion von vorne sicher bezwang. Trotz des zweiten Platzes ärgerte ich mich sehr über den entgangenen Tagessieg, hatte ich doch von den verlorenen sieben bis acht Minuten deren fünf wieder auf den AK-Sieger Marek aufgeholt. So ist eben der MTB-Sport. Das Resttagesprogramm folgte dem üblichen Muster.
10.06.12: Krankheitsbedingte Rennaufgabe auf Etappe Nr.4 "Wielka
Racza", 77km, 3.000Hm Schweren Herzens mußte ich meinen zweiten Platz in der Gesamtwertung aufgeben, packte mein Gerödel zusammen und machte mich äußerst elend allein auf die weite Reise in die Heimat, die ich nach dreimaligem Notschlaf, einigen Salzstangen und Colas nach langen 11 Stunden halbtot beendete. Jedoch schon gegen Mitternacht war das Gröbste wieder überstanden.
Die Beskidy-Trophy war ein absolutes Erlebnis
und ich hoffe, daß ich sie in 2013 besser vorbereitet und in einem
optimierten Umfeld wieder fahren kann! |