Aktuelles: Bericht vom 24-h-Rennen in München (14./15.7.2007) von Thomas Hartmann, Teamleiter Team www.hardi.net
Was für ein WE, was für ein Rennen, was für eine Veranstaltung! Wir stehen alle noch tief unter dem Eindruck des Erlebten und auch für hartgesottene Rennfahrer im Methusalemalter, die glauben, schon alles gesehen zu haben, war das ein unvergessliches Erlebnis! Als absolute Newcomer im 24-h-Renngeschäft gingen wir vielleicht etwas blauäugig an die Sache heran. Insbesondere unsere Beleuchtungssituation in der Nacht ließ uns unnötige Minuten beim größten und renommiertesten 24-h-Rennen Europas verlieren, bei dem unser Team in der 4er-Mix-Wertung (1 Dame, 3 Herren) startete. Unsere Renntaktik und Krafteinteilung hingegen erwies sich letztendlich als überlegen: schnelle Runden ohne in den absoluten Spitzenbereich zu gehen, Schonung unserer Dame, die dafür umso schneller fuhr, Fahrzeiten von 1 bis 1,5 h, um den anderen Rennfahrern Zeit zur genügenden Regeneration zu geben. Daneben hatten wir mit einem klimatisierten Wohnmobil, Manuels Vater als Betreuer (Danke für den phantastischen Job!), einem überdurchschnittlich großen Fahrerlager, in dem sich auch unsere Sponsoren gut präsentieren konnten, sehr gute Bedingungen. Trotzdem haben wir für diese Art Rennen sehr viel gelernt und auch wenn wir letztlich aufgrund unserer Stärke und Ausgeglichenheit deutlich gewonnen haben, werden wir uns bei einem nächsten Mal besser vorbereiten! Hier nun unsere Erlebnisse, nachträglich chronologisch aufgedröselt:
12.7.2007:
Rennvorbereitung Alles will organisiert sein, natürlich läuft nicht alles rund, kann aber mit zusätzlichem Aufwand geradegebogen werden. Merke: Die Teamführung macht dann einen guten Job, wenn alles reibungslos klappt, ohne daß die Umwelt den Aufwand dafür spürt! (Meinen Stress diesbezüglich spüre ich dafür sehr deutlich!)
13.7.2007: Vorrenntag Allerdings nicht weit: an der ersten Sperre werden unsere drei Autos und ein Passierschein trotz Absprache mit den Organisatoren nicht durchgelassen. Zwei etwas stressige Handytelefonate und einige Telefonzehnerl später geht es endlich los. Der Platzzuweiser mantelt sich ein bißchen auf und weiß selbstverständlich auch nichts über unser Arrangement mit den Veranstaltern über ein größeres Fahrerlager. Schließlich geht es dann doch, wir plazieren unser Wohnmobil, den Ausstellungswagen unseres Sponsors ACA, der die Masse des Nenngeldes gestemmt hat sowie den Infostand unseres Hauptsponsors VISUMED, der auch seinen Obolus beigetragen hat (Herzlichen Dank nochmals!). Nach der Akkreditierung richten wir uns ein, plazieren Tisch, Stühle, Liegen, Strom, Teamtransparent, Poster usw. usw. ............. Nach einem leichten Mittagessen trainieren wir 2 h auf dem Rennkurs, der trotz tagelangem Regen fast trocken ist. Technisch ist er nicht sehr schwer, aber mit sehr vielen Rhythmuswechseln ausgestattet, die auf Dauer unheimlich an der Substanz zehren werden. Ich entscheide mich für meinen MTB-Crosser mit Starrgabel und Rennlenker, da der hohe Anteil an Asphalt und festem Untergrund sowie auch längere Flachstücke dafür prädestiniert sind. Die Münchner Christian, Martina und Thomas schlafen dann nochmals daheim, während Vater und Sohn Kemmler die Nacht im Wohnmobil im Münchner Olympiapark genießen dürfen.
14.7.2007: Es ist soweit! Wir fahren uns nochmals warm, essen etwas Leichtes. Um 13 Uhr startet Manuel in gewohnter Kaltstartmanier ganz vorne und nach 1 Runde Kolbenprobe fährt er seine ersten vier Runden à 7,6km und 95Hm wie ein Uhrwerk gleichmäßig in jeweils etwa 17.30min pro Runde. Anschließend bin ich dran, halte auch den Schnitt von 17.30min, obwohl ich schneller könnte, das wäre dann allerdings grenzwertig. Die Fahrerei erinnert manchmal an Slalomfahren: viele Leistungsschwächere taumeln schon bald dahin, blockieren enge Trails, fahren nebeneinander, halten die gerade Fahrlinie nicht ein. So ist man eigentlich die ganze Zeit am Rufen und wird öfters heftigst abgebremst, es motiviert aber auch, dauernd zu überholen. Bis zum Ende des Rennens wird das immer krasser. Schließlich kommt unser Youngster Chris an die Reihe. Er kann das Wasser prompt nicht halten und produziert gleich mal eine 16.37er-Runde. In der zweiten Runde hat er einen leichten, folgenlosen Sturz, dann pendelt auch er sich auf der Marschroute ein. Sonst keine besonderen Vorkommnisse, außer das es brüllend heiß ist. Martina soll nur drei Runden fahren, bricht aber nach zwei knapp 20er-Runden wegen eines Kettenschadens ab. Ein wahrscheinlicher Steinschlag hat ein steifes Kettenglied produziert, wir reparieren und bleiben ruhig.
14.7.2007, ab 17 Uhr: alles normal Wir beschließen, bei unserer Marschroute zu bleiben. Wenn die anderen das durchhalten, haben sie eben verdient gewonnen. Inzwischen ist die Verpflegung endlich in vollem Umfang eröffnet und wir sind dauernd am Trinken und Essen, um die Energiereserven laufend nachzufüllen. So fährt jeder nochmals seine gute Stunde, Martina ist die Letzte, die in der Dämmerung noch ohne Licht ihre Runden dreht.
14.7.2007, ab 22 Uhr: Beleuchtungsfiasko In der Nacht wollten wir drei Männer eigentlich jeder sechs Runden fahren, damit die anderen schlafen können und auch damit Martina als technisch Unsicherste nicht fahren muß. Soweit der Plan. Aber schon bei Mani setzt seine Super-Duper-Stirnlampe nach fünf Runden aus. Allerdings hat er noch zwei Batterielampen am Lenker. Zusätzlich findet er noch für seine letzte Runde einen gleich schnellen Fahrer, bei dem er "Lichtschatten" fährt. Kein Zeitverlust. In der etwas hektischen Wechselzone in der Olympiahalle übergibt er den Staffelstab (ein spezielles Armband) an mich und ich sprinte weg, habe eine teure Leuchtanlage einer renommierten Firma und sehr gute Beine. Nach zwei super Runden geht auf einen Schlag das Licht aus. Hektisch fummle ich im Fahren an den Verbindungen - nichts. So hangle ich mich von rotem Rücklicht zu rotem Rücklicht und nehme sehr viel Risiko in der Runde, denn das Einfahren in absolut schwarze Löcher bergab mit Höchsttempo ist etwas suizidal, besonders wenn absolut keine Konkurrenten in der Nähe sind. Doch damit nicht genug: erst bei der dritten Zieldurchfahrt kann ich meinem Team die Lichtlosigkeit signalisieren und zittere mich nochmals eine Runde durch. Das ergibt dann die zwei langsamsten Runden für mich bei diesem Rennen (je ca. 19.30min). Total bedient wechsle ich nach vier Runden auf Chris, der als einziger ein super Licht ohne Störfälle hat und tapfer sechs Runden absolviert.
15.7.2007, ab 0230 Uhr: was tun? Martina und Manuel versuchen zu schlafen. Erich und ich halten Kriegsrat. Schließlich montiere ich mir die beiden Batterielampen von Mani, wir kratzen die letzten unserer zu wenigen Batterien zusammen. Zumindest mein Akku des superteueren geliehenen Systems, das angeblich top ist (ich hätte es testen müssen!) ist wohl über dem Jordan, bei Mani geht er noch - so hoffen wir. Zwischenzeitlich sind viele Freunde zum Daumendrücken an unserem Stand vorbeigekommen, allerdings werden auch die irgendwann müde und verdrücken sich bald. Nur der gerade rechtzeitig gekommene Vater von Chris schlägt sich die Nacht um die Ohren und unterstützt Erich tatkräftig. Schlafen kann ich leider nicht, so ruhe ich etwas dahin. Eigentlich wäre wieder Mani nach Chris dran, aber ich will mein Pech wieder gutmachen und wir tauschen. So löse ich nach nur knapp 2 h Pause Chris wieder ab, Mani schläft weiter. Die Batteriefunzeln taugen auch nicht viel, aber ich lasse es heftigst krachen, schließlich kennt man die Runde so langsam, ergo jedes Loch beim Vornamen und irgendwie ist mir alles egal. Ich fahre wie in Trance, schalte an helleren Stellen zum Sparen das Licht aus, habe keine Schmerzen, bin aber wohl sehr schnell. Nach vier Runden macht erst ein Licht die Grätsche, nach einer weiteren halben das andere. So löst mich Mani schon nach fünf statt der geplanten sechs Runden in der ersten Dämmerung kurz vor 4 Uhr wieder ab, gut regeneriert und motiviert.
15.7.2007, früher Morgen: wir holen auf! Wir holen auf, die anderen gehen schneller kaputt als wir. Mani hat in der Dämmerung und im Morgengrauen nach gut hessischer Holzhackermethode alles niedergewalzt. Wir stellen um auf 3-Runden-System und Martina und Chris halten die hohe Schlagzahl. Zwischenzeitlich Irritation: einmal führen wir angeblich, dann wieder nicht mehr. Uns ist alles egal, wir geben, was wir können.
15.7.2007, Vormittag: auf der Siegerstraße! Wir haben umgestellt auf 2-Runden-Vollgas-mit-dem-letzten-Hemd. Der Widerstand unserer Gegner ist total gebrochen, schließlich haben wir 1 Runde Vorsprung und die Yetis fallen sogar auf Platz 3 zurück - das Team TriSource ist jetzt Zweiter, kann uns aber nicht gefährden. Im Finale geht es ablösungstechnisch etwas krumm heraus. Mani gibt nochmals 2 Runden alles und bricht dann trotz der zwischenzeitlichen Nachricht unserer überlegenen Führung vollkommen zusammen, hat aber sein Werk getan. Chris und Martina müssen nun nur noch jeweils 1 Runde fahren - eine Tortur für beide. Ich habe dann die Ehre, die letzte Runde fahren zu dürfen. Schneller als erwartet schießt Martina um 1241 Uhr aus ihrer Runde, schickt mich ins Rennen. Jetzt kommt wieder unsere Unerfahrenheit ins Spiel: in der festen Annahme und der Fehlinformation unterliegend, daß die Führungsmannschaft im Zeitkorridor ab 1245 Uhr als Sieger abgewinkt wird, gebe ich nochmals ohne vorhandenes Benzin ultimativ Gas, was aber sehr gut funktioniert im Überschwang der Siegesgefühle auf der angeblich letzten Runde. Um 12.59:06 Uhr werde ich dann prompt auf eine weitere Runde geschickt, ich kann es kaum fassen. Wie in Trance absolviere ich diese, das sind mit die härtesten Kilometer meiner Karriere. Großer Jubel dann im Ziel mitten auf dem Coubertinplatz, Glückwünsche und Abklatschen allenthalben. Ich bin aber so bedient, daß ich dann doch sehr bald Richtung Fahrerlager rollkrieche und dort einen kleinen Quasi-Zusammenbruch erleben darf. Einige Liter später aber kann ich mich wie meine Teamkameraden auch so richtig freuen: wir haben es geschafft und das als absolute Neulinge und mit diesen herben Beleuchtungsproblemen! Unglaublich! Was für ein Tag für unser Team, 585km und 7300Hm haben wir zusammen zurückgelegt. Wir räumen in Zeitlupe alles zusammen, dürfen noch eine stimmungsvolle Siegerehrung erleben, fahren nach großem Abschied nach Hause. Dort läßt die Anspannung etwas nach, Appetit habe ich gar keinen. Beim Betrachten der Tour de France im TV falle ich schließlich schlafend vom Stuhl und muß 4 h notschlafen. Das werden jetzt sicher einige sehr müde Tage in dieser
Woche!
(Fotos) |