Diplomtrainer und
Sportheilpraktiker: Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zur
Sicherheit bei Straßenrennen am Beispiel der BM Berg 2004
Staatsanwaltschaft Traunstein, 320
I AR 2005/04
Verfügung:
Gegen W. wird ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger
Körperverletzung eingeleitet. Im übrigen wird gemäß § 152 II StPO von
der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen.
Gründe:
Am Samstag den 18.9.2004 fanden in Ramsau bei Berchtesgaden insgesamt vier
Straßenradrennen in Form der Bayerischen Bergmeisterschaften statt. Das
Rennen war zugleich bundesoffen; es galt das Preisschema des Bundes
Deutscher Radfahrer (BDR).
Der Start-/Zielbereich lag in der Ortsmitte von R. Der Rundkurs führte
durch den Ort Richtung H., dann über die Alte R. Straße über die
Kreisstraße BGL 14 bergauf bis zur Schwarzbachwacht und von dort über
die B 305 wieder bergab bis zur Abzweigung nach R. Eine Runde war 13 km
lang und wies einen Höhenunterschied von 350 m auf. Je nach Rennen war
sie zwei bis sieben mal zu absolvieren. Der Bereich der Bergaufstrecke
war entgegen der Rennrichtung für den allgemeinen Straßenverkehr
gesperrt, bergab auf der B 305 fand in beide Richtungen keine Sperrung
statt.
Der Start-/Zielbereich war für den Straßenverkehr gleichfalls nicht
gesperrt. Zur Streckensicherung sollten vereinzelte Streckenposten
dienen. Zum Zeitpunkt des Juniorenrennens zwischen ca. 12.00 und 14.00
Uhr befand sich auf der B 305 lebhafter bis dichter Durchgangs- und
Ausflugsverkehr, da schönes Spätsommerwetter herrschte. Durch
Anhaltungen des Verkehrs durch Streckenposten bildeten sich auf der
Rennstrecke teilweise Staus von sicher über hundert Metern Länge, ebenso
mussten die Rennfahrer zum Teil ihre Zielsprints zwischen angehaltenen
Fahrzeugen hindurch fahren.
Während des Juniorenrennens über vier Runden kam es zu mindestens drei
Unfällen auf der B 305: Im oberen Abschnitt stieß das Feld der
Rennfahrer auf eine Kuhherde, die nahezu die komplette Fahrbahn
blockierte, da zeitgleich ein Almabtrieb über die Rennstrecke stattfand.
Das Führungsfahrzeug bahnte den Rennfahrern eine Gasse durch die
Kuhherde, trotzdem soll ein Rennfahrer mit einer Kuh kollidiert und
gestürzt sein, wobei er sich leichte Verletzungen zuzog. Der Fahrer
konnte jedoch namentlich nicht ausfindig gemacht werden, so dass dieser
Unfall mangels genauerer Kenntnis der Umstände niemandem zur Last gelegt
werden kann.
In der dritten und vierten Runde kam es zu zwei folgenschweren Unfällen.
Beide Unfallstellen liegen nur ca. 100 m auseinander. In diesem Bereich
beschreibt die Straße bei einem Gefälle von mindestens 10% zunächst eine
Rechtskehre, wobei sie in den Wald hineinführt, zieht sich dann bei
steiler werdendem Gefälle in leichten Kurven an einer Felswand entlang,
passiert einen ca. 100 m langen unbeleuchteten Tunnel, bevor sie in
einer weit gezogenen Linkskehre in ein etwas flacheres Stück übergeht.
In diesem Rennabschnitt erreichen die Rennfahrer Geschwindigkeiten von
ca. 80 km/h.
Im Bereich nach der Rechtskehre überholte der Geschädigte K den
langsamer fahrenden Pkw, amtliches Kennzeichen GG-… . Beim
Wiedereinscheren kam es zum Anstoß seines Hinterrads an das linke
vordere Fahrzeugeck des Pkw. Der Geschädigte K kam dadurch zu Sturz und
zog sich multiple Schürfwunden zu. Es konnte nicht aufgeklärt werden, ob
der Rennfahrer K oder der Autofahrer R den Unfall verursacht hatten.
Unmittelbar nach dem Unfall wurden die beiden Unfallbeteiligten von
einem namentlich nicht bekannten offiziellen Ordner angewiesen, die
Unfallstelle zu räumen. Er werde sich um alles kümmern, was er jedoch
nicht tat.
In der vierten Runde geriet der Geschädigte H ungefähr an derselben
Stelle nach der Rechtskehre mit einer Geschwindigkeit von ca. 80 km/h
auf die Gegenfahrbahn, wo ihm der Zeuge G mit seinem Lkw (amtliches
Kennzeichen BGL-…) in Form eines Abschleppwagens entgegenkam. Obwohl er
am äußersten rechten Rand mit einer Geschwindigkeit von nur ca. 40 km/h
fuhr, kam es zum Zusammenstoß mit dem Rennfahrer H. Dieser konnte einen
Frontalzusammenstoß, der mit ziemlicher Sicherheit tödliche Folgen
gehabt hätte, gerade noch verhindern, schrammte aber mit der linken Hand
an der Bordwand des Lkw entlang, bevor er sein Rad anhalten konnte.
Dadurch zog er sich komplizierte offene Frakturen am Grundglied des
linken Ringfingers, Brüche am linken Mittelfinger und eines
Mittelhandknochens sowie Prellungen und Schürfwunden an Schulter und
Hüfte zu. Wegen der Frakturen wurde er bis heute bereits drei Mal
operiert, weitere Operationen stehen an und Folgeschäden sind zu
erwarten. Nach eigenen Angaben hatte der Geschädigte H bis zu dem Unfall
nicht mitbekommen, dass sich auf der Rennstrecke fließender Gegenverkehr
befindet.
Veranstaltet wurde das Rennen vom RSV B. Dessen 1. Vorsitzender W war
für die Planung und Durchführung des Rennens verantwortlich. Er
beantragte beim zuständigen Landratsamt B die Genehmigung für das Rennen
und bezeichnete sich selbst in dem Antrag als Verantwortlichen.
Das Rennen wurde wie später genehmigt beantragt, d.h. ohne Antrag auf
Straßensperrung für die B 305. Mit Bescheid vom 31.8.2004,
unterschrieben von dem Sachbearbeiter F, genehmigte das Landratsamt B
das Rennen.
Unter den Auflagen findet sich unter anderem folgendes: Die
Aufrechterhaltung des öffentlichen Straßenverkehrs muß gewährleistet
bleiben. Die Rennfahrer müssen die StVO, insbesondere das
Rechtsfahrgebot, einhalten. Rennfahrer, die über die Straßenmitte
fahren, sind unverzüglich vom Wettbewerb auszuschließen. Der
Veranstalter hat rechtzeitig die zuständige Polizeiinspektion wegen
einer evtl. Sicherung zu unterrichten. Der Leiter der Veranstaltung W
wurde für den ordnungsgemäßen Ablauf des Rennens verantwortlich gemacht.
In einem Beiblatt zu dem Genehmigungsbescheid wurde ein schriftlicher
Hinweis auf die Vorschriften der StVO, insbesondere das Rechtsfahrgebot,
an die Rennteilnehmer gefordert, ferner wurde darin eine Helmpflicht und
das Verbot des Windschattenfahrens angeordnet. Mit einfachem Schreiben
vom 13.9.2004 wies der Sachbearbeiter F den Veranstalter W darauf hin,
dass zeitgleich zu dem Rennen im Gemeindegebiet R. der Almabtrieb
stattfindet. Ungefähr drei Tage vor dem Rennen informierte Herr F
telefonisch den stellvertretenden Dienststellenleiter der
Polizeiinspektion B. von dem bereits genehmigten Rennen.
Das schuldhafte Verhalten des Veranstalters W hat für diesen
vorhersehbar und vermeidbar zu den beiden Unfällen und damit zu den
Körperverletzungen der Geschädigten K und H geführt.
Für die Bestimmung des anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabs sind zunächst die
Vorschriften des Bundes Deutscher Radfahrer heranzuziehen: Nach Punkt
6.8 Absatz 2 der Wettkampfbedingungen Straße ist die Rennstrecke vom
Veranstalter so auszuwählen und zu gestalten, dass besondere
Gefahrenmomente für die Sicherheit der Teilnehmer, der Begleiter und der
Zuschauer vermieden werden. Weitere Sicherheitsregelungen außer zu
Tunneldurchfahrten und zur Absperrung des Start-/Zielbereichs, gegen die
hier auch verstoßen wurde, was aber nicht unfallursächlich war,
existieren nicht. Die genannte Vorschrift hat drittschützenden
Charakter. Die „besonderen Gefahrenmomente“ sind daher nach der
Verkehrsanschauung des betroffenen Personenkreises zu bestimmen.
Nach allgemeiner Anschauung muß der Organisator einer Sportveranstaltung
die Sportler nicht vor solchen Gefahren schützen, die mit der
Sportausübung typischerweise verbunden sind, denn dieses erhöhte
Gefahrenniveau nimmt der Sportler bewusst in Kauf. Dagegen rechnet er
nicht mit atypischen Gefahren und kann sich dementsprechend auch nicht
vor diesen schützen. Die Verkehrssicherungspflicht des Veranstalters
bezieht sich primär auf den Schutz vor drohenden verdeckten und
atypischen Gefahren (Heermann/Götze, Zivilrechtliche Haftung im Sport,
S.107). Dabei sind gerade bei Radrennen an die Sicherheit der
Rennstrecke vergleichsweise hohe Anforderungen zu stellen, da das
Augenmerk von Wettkampfteilnehmern in erster Linie der
Sportausübung gilt und ihre Aufmerksamkeit erfahrungsgemäß im Kollektiv
abnimmt (OLG Frankfurt, Urteil vom 9.7.2003, Az. 19 U 31/03).
Regelmäßig finden Radrennen auf abgesperrten Straßen statt (vgl. dazu
unten). Lediglich ausnahmsweise werden Radrennen über nicht gesperrte
Straßen geführt, allerdings nur, wenn der allgemeine Straßenverkehr
gering ist. Auch in diesen Fällen ist die Rennstrecke jedoch für den
Gegenverkehr gesperrt. Es ist der Staatsanwaltschaft kein Straßenrennen
bekannt, bei dem Gegenverkehr stattfand. Daß das Rennen im vorliegenden
Fall von vornherein nicht wie beantragt mit Gegenverkehr durchgeführt
werden durfte, ergibt sich schon aus der besonderen Gefährlichkeit der
Strecke mit starkem Gefälle und Kehren. Noch dazu war vorhersehbar, dass
an einem Samstag Mittag starker Verkehr auf der Bundesstraße herrscht.
Der Sorgfaltspflichtverstoß ergibt sich daher bereits aus der Auswahl
der Strecke und dem Antrag auf Genehmigung ohne Streckensperrung.
Nach eigenen Angaben veranstaltet W seit nahezu 20 Jahren regelmäßig
Radrennen, teilweise mehrere pro Jahr. Er hätte daher aus eigener
Sachkunde erkennen können und müssen, dass das Radrennen wie beantragt
viel zu gefährlich war und zu schweren Stürzen führen würde. Der
Veranstalter W kann nicht einwenden, die Rennteilnehmer vor Start des
Rennens vor Gegenverkehr gewarnt zu haben, somit der Kausalverlauf
durchbrochen wurde bzw. ein erhebliches Mitverschulden der verunglückten
Rennfahrer vorliegt.
Die Befragung einzelner Rennteilnehmer durch die Staatsanwaltschaft
ergab, dass einige eine entsprechende Warnung gehört haben wollen,
andere aber nicht, wozu auch die beiden Geschädigten gehören. W kann
sich nicht auf den im Strafrecht geltenden Grundsatz berufen, dass im
Zweifel zugunsten des Angeklagten entschieden werden muß, da Punkt 6.8
Absatz 3 der Wettkampfbedingungen Straße des BDR festlegt, dass
Hindernisse auf der Strecke wie Tunnel, Baustellen, gefährliche Kurven
bzw. Fahrbahnverengungen, Fahrbahnteiler u.ä. bereits im „Technischen
Leitfaden“ oder im Rennprogramm aufgeführt werden müssen. Aus dieser
bewusst nicht abschließenden Aufzählung ergibt sich, dass wegen der
vergleichbaren besonderen Gefährlichkeit des Verkehrs auf der
Bundesstraße auf diesen gesondert hingewiesen hätte werden müssen. In
dem Rennprogramm findet sich jedoch kein einziger Sicherheitshinweis,
obwohl dort auch die gesamte Strecke beschrieben wird.
Das Verschulden des Veranstalters W wird dadurch noch erhöht, als er
selbst angibt, dass die Rennfahrer bei Durchsagen vor dem Start
„erfahrungsgemäß nicht so sehr zuhören“. Daher musste ihm klar sein,
dass diese Durchsage völlig ungenügend zur Warnung der Rennteilnehmer
ist. Zudem war er in dem Genehmigungsbescheid des Landratsamts dazu
aufgefordert worden, schriftlich die Rennteilnehmer hinzuweisen. Die
Ansicht des Veranstalters W, daß dies unpraktikabel ist, geht fehl. Der
Staatsanwaltschaft sind in Österreich jährlich Dutzende von
Radveranstaltungen mit teilweise mehreren Tausend Teilnehmern bekannt,
die alle vor dem Start schriftlich auf Gefahren auf der Strecke
aufmerksam gemacht werden. Deshalb hätte das Rennen nie unter den
geschilderten Umständen gestartet werden dürfen, zumindest hätten in
geeigneter Weise Sicherheitshinweise an die Rennfahrer erfolgen müssen.
Es kann auch nicht eingewandt werden, dass die geschädigten Rennfahrer
im Verlauf des Rennens hätten mitbekommen müssen, dass auf der Strecke
fließender Verkehr herrscht. Die beiden Geschädigten verneinen dies
glaubhaft, denn es ist nicht nachvollziehbar, dass sie andernfalls
bewusst ihr Leben riskierten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass
insbesondere der Geschädigte H bis zu dem Unfall keinen Gegenverkehr
wahrnahm, da dieser teilweise tatsächlich angehalten worden war und man
als Rennfahrer im Feld der Fahrer vom sonstigen Geschehen auf der Straße
nicht sehr viel mitbekommt. Ein Mitverschulden der Geschädigten ist hier
entsprechend der Rechtsprechung des österreichischen OGH zu verneinen,
da ein Radrennfahrer an die Höchstgrenze seiner Leistung gehen darf
(vgl. Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, München
1998 S.374f.). Die Leistungsdichte ist bei einem Rennen wie den
Bayerischen Bergmeisterschaften so hoch, dass der einzelne Rennfahrer
Zeit, die er auf der Abfahrt verliert, nicht ohne weiteres wieder
aufholen kann, zumal das Rennen mit einer Gesamtlänge von nur 52 km
relativ kurz ist.
W kann hier auch nicht einwenden, dass die Rennfahrer in eine evtl.
Körperverletzung eingewilligt haben (§ 228 StGB). Eine ausdrückliche
Einwilligung erfolgt weder vor dem Rennen noch in dem Antrag auf
Erteilung einer Rennlizenz durch den BDR. Eine konkludente Einwilligung
durch Teilnahme an dem Rennen ist zwar grundsätzlich denkbar und wohl
auch gegeben, da ein Radrennfahrer stets mit der Möglichkeit von Stürzen
rechnet. Diese Einwilligung bezieht sich aber nur auf (Fehl-)Verhalten
anderer Rennteilnehmer und allenfalls leichtes Verschulden des
Veranstalters, mit dem ein Rennfahrer stets rechnen muß. Davon kann hier
aber nicht ausgegangen werden, da der Veranstalter Gefahrenmomente
geschaffen hat, die absolut unüblich sind und mit denen keiner zu
rechnen brauchte. Hier eine Einwilligung anzunehmen, wäre eine reine
Fiktion.
Nach alldem sind W die beiden Unfälle zuzurechnen. Die
Staatsanwaltschaft bejaht diesbezüglich auch das besondere öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung.
Der Sachbearbeiter F im Landratsamt B hat mit seiner Genehmigung des
Radrennens die beiden Unfälle mit verursacht, denn ohne die Genehmigung
wäre das Rennen nicht durchgeführt worden. Nach § 29 II StVO bedürfen
Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch
genommen werden, der Erlaubnis. In Nr. I 2a der Verwaltungsvorschrift zu
§ 29 II StVO (im folgenden Vwv genannt) sind Radrennen ausdrücklich
aufgeführt. Nach Nr. II 1 Vwv sollen solche Veranstaltungen in der Regel
auf abgesperrtem Gelände durchgeführt werden. Nr. III 4 Vwv bestimmt
speziell für Radsportveranstaltungen:
a) Eine Radsportveranstaltung soll in der Regel nur auf Straßen erlaubt
werden, die keine oder nur eine geringe Verkehrsbedeutung haben.
b) Die Zahl der zur Sicherung erforderlichen Begleitfahrzeuge ist im
Erlaubnisbescheid festzulegen, die Höchstzahl der Begleitfahrzeuge kann
beschränkt werden; die Begleitfahrzeuge müssen gekennzeichnet sein.
Werbung an diesen Fahrzeugen ist gestattet.
c) In der Regel muß die Straße zumindest im ersten und im letzten
Teilabschnitt gesperrt werden. Der Gegenverkehr an Ausweichstellen
vorübergehend angehalten werden.
Nach Nr. III 1d Vwv ist im Erlaubnisverfahren zumindest die Polizei zu
hören. Den Verwaltungsvorschriften liegt der Gedanke zugrunde, dass
Radveranstaltungen mit dem allgemeinen Straßenverkehr grundsätzlich
unverträglich sind und daher eine Trennung stattzufinden hat. Dies gilt
vorliegend umso mehr, da es sich um ein Radrennen der gehobenen
Kategorie handelte, und nicht um eine einfache Radtouristikfahrt oder
einen Radmarathon, die eher hobbymäßigen Charakter haben und deshalb im
Einzelfall unter entsprechenden Auflagen durchaus parallel zum
allgemeinen Straßenverkehr stattfinden können. Dort geht es auch
regelmäßig nicht um die Erzielung von Spitzenzeiten. Daß das Landratsamt
diesen Grundgedanken völlig verkannt hat, zeigt schon die Tatsache, dass
es keine Bedenken gegen die gleichzeitige Durchführung eines Radrennens
und eines Almabtriebs auf einer stark befahrenen Straße hatte.
Das Landratsamt hat gegen die Sollvorschriften der Durchführung auf
gesperrtem Gelände bzw. auf Straßen mit allenfalls geringer
Verkehrsbedeutung verstoßen, ohne dass hierfür aus dem
Genehmigungsbescheid ein sachlicher Grund zu entnehmen ist. Dies ist
umso unverständlicher, als dem zuständigen Sachbearbeiter durchaus
erkennbar war, dass es sich bei einer Bundesstraße an einem Samstag
Mittag keinesfalls um eine Straße mit geringer Verkehrsbedeutung
handelt, da das Verkehrsaufkommen zu dieser Zeit erfahrungsgemäß groß
bis sehr groß ist. Gegen die Mussbestimmung der Straßensperrung im
Start-/Zielbereich wurde gleichfalls verstoßen, was aber nicht
unfallursächlich war. Stattdessen ordnete der Sachbearbeiter an, dass
der normale Straßenverkehr ungehindert fließen können müsste.
Entgegen der irrigen Ansicht des Sachbearbeiters war es nicht Sache des
Veranstalters, sich wegen der Absicherung mit der Polizei in Verbindung
zu setzen, sondern er war dazu im Rahmen des Genehmigungsverfahrens
verpflichtet. Daraus ergibt sich, dass die Genehmigung des Landratsamt
offensichtlich in völliger Unkenntnis der einschlägigen
Verwaltungsvorschriften ergangen ist und daher grob rechtswidrig war.
Weitere Auflagen wie das Verbot des Windschattenfahrens und die
Einhaltung der StVO, insbesondere des Rechtsfahrgebots, wären für sich
allein bereits mit dem Charakter eines Radrennens nicht vereinbar
gewesen und hätten zur Rechtswidrigkeit des Bescheides geführt.
Allerdings wurden sie zum Teil nicht Gegenstand des Bescheids (z.B. das
Windschattenverbot, da in dem Bescheid selbst nicht Bezug auf das
Beiblatt genommen wurde.
Trotzdem ist die Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens und
Anklageerhebung gegen den Sachbearbeiter F nicht veranlasst, da nach der
strafrechtlich gebotenen Zugunstenbetrachtung nicht mit letzter
Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass bei Warnhinweisen durch den
Veranstalter wie oben geschildert die Unfälle sich nicht ereignet
hätten. Die Kausalität ist daher nicht nachweisbar. Zivilrechtliche
Ansprüche bleiben davon jedoch unberührt.
Leitsätze zu meiner Verfügung
Ein Rennfahrer rechnet nicht mit atypischen Gefahren und kann sich
dementsprechend auch nicht vor diesen schützen. Die Sorgfaltspflicht des
Veranstalters bezieht sich primär auf den Schutz vor drohenden
verdeckten und atypischen Gefahren.
Der Sorgfaltspflichtverstoß kann sich bereits aus der Auswahl der
Strecke und dem Antrag auf Genehmigung ohne Streckensperrung ergeben,
vor allem wenn diese wegen starkem Gefälle und Kehren eine besondere
Gefährlichkeit aufweist und zum Zeitpunkt des Rennens mit dichtem
Verkehr zu rechnen ist.
Eine (konkludente) Einwilligung des Rennfahrers in eine fahrlässige
Körperverletzung bezieht sich nur auf (Fehl-)Verhalten anderer
Rennteilnehmer und allenfalls leichtes Verschulden des Veranstalters,
mit dem ein Rennfahrer stets rechnen muß, nicht aber auf die Schaffung
von Gefahrenmomenten, die absolut unüblich sind und mit denen keiner zu
rechnen braucht.
Auflagen der Genehmigungsbehörde wie das Verbot des Windschattenfahrens
und die Einhaltung der StVO, insbesondere des Rechtsfahrgebots, sind mit
dem Charakter eines Radrennens nicht vereinbar und können zur
Rechtswidrigkeit des Bescheides führen.
Leitsätze zur Entscheidung des OLG Frankfurt
Der Veranstalter eines Radrennens ist für die Eignung der
Rennstrecke und deren sichere Benutzungsmöglichkeit
verkehrssicherungspflichtig. An die Sicherheit einer Rennstrecke sind
vergleichsweise hohe Anforderungen zu stellen, da das Augenmerk von
Wettkampfteilnehmern – hier: Radrennfahrer – in erster Linie der
Sportausübung gilt und ihre Aufmerksamkeit im Kollektiv erfahrungsgemäß
abnimmt.
Soweit die Polizei in dem Erlaubnisbescheid mit Sicherungsmaßnahmen
betraut ist, wird sie ausschließlich in eigener gesetzlicher Kompetenz
und nicht als Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfe des Veranstalters
tätig. Daneben kommt dessen Verkehrssicherungspflicht nicht in Wegfall.
Die Absicherung einer akuten Gefahrenstelle kann Aufgabe der vor und
hinter dem Fahrerfeld mitfahrenden Begleitfahrzeuge einschließlich der
Fahrzeuge der Rennleitung sein.
Traunstein, 21.6.2005,
Volker Schödel, Staatsanwalt
Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Redaktion
der Zeitschrift für Sport und Recht und des Verlages C.H. Beck,
München/Frankfurt a.M.
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