(Leserbrief von Herrn RA Siedler, Augsburg, 11/2005)
Lieber Thomas Hartmann, Obigen Diskussionsbeitrag habe ich mit Interesse - insbesondere im Hinblick auf die Rechtsaspekte - gelesen. Auch wenn ich - sportlich gesehen - die Auffassung teile, daß es grundsätzlich mehr (und vor allem längere) Straßenrennen geben sollte, muß ich als Jurist doch vor den Folgen warnen. Wenn heute ein Mandant zu mir käme, um sich von mir rechtlich darüber beraten zu lassen, wie er als Veranstalter ein Radrennen durchführen soll, würde ich ihm kurz und bündig wie in der Fielmann-Werbung raten: "Vergessen Sie's!" Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß der BDR von den Rennfahrern neuerdings den zitierten Zusatz im Lizenzantrag verlangt. Der Formulierung "Mir ist bewußt, daß Radsport mit typischerweise auftretenden Gefahren verbunden ist" usw. kann nur als dümmlich bezeichnet werden oder besser als der untaugliche Versuch, einen Veranstalter von der Verantwortung zu entlasten. Rechtlich halte ich die Formulierung für sinnlos. Denn der Veranstalter haftet mit und ohne diesen Zusatz, wenn er fahrlässig gehandelt hat und zwar auch und gerade gegenüber dem Radsportler. Wenn zudem noch die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung verlangt wird, wird das Ganze zur Farce. Denn dann brauche ich erst gar kein Rennen veranstalten. Allein das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. II StVO) reicht schon aus, um jedes Radrennen zu verhindern. Dann ist allenfalls noch Zeitfahren möglich. Wenn man es auf die Spitze treiben will, muß sich jeder Veranstalter vor dem Rennen davon überzeugen, daß alle Rennräder mit einer Klingel versehen sind, denn diese Ausstattung ist auch bei Radrennen Pflicht, da die Ausnahmevorschrift des § 67 Abs. XII StVZO nur für lichttechnische Einrichtungen, nicht jedoch für Fahrradglocken gilt. Meiner Meinung nach dürfen Radrennen nur dann durchgeführt werden, wenn die dabei benutzten Straßen abgesperrt sind. Somit ist nicht nur Gegenverkehr, sondern auch Verkehr in Rennrichtung unzulässig! Es müßte also das gelten, was auch für Autorennen gilt (Verwaltungsvorschrift III 2a zu § 29 StVO). Diese Rigidität würde jedoch mit Sicherheit dazu führen, daß es aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich sein wird, überhaupt Radrennen zu veranstalten. Es könnten dann nur noch große Veranstaltungen im Tour-de-France-Modus durchgeführt werden. Dies werden sich jedoch schon aus finanziellen Gründen hierzulande nur wenige leisten können. Will man weiterhin Rennen in Deutschland veranstalten, wird man wohl nur die Wahl zwischen Scylla und Charybdis haben. Oder man vergißt es ganz (siehe oben). Mit freundlichen Grüßen, Ihr H.E. Siedler
P.S.: Zur Veranstalterhaftung (hier: getöteter Zuschauer bei einem MTB-Rennen) darf ich noch auf ein Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen (Neue Juristische Wochenschrift Jahrgang 2002, S. 153) verweisen. Hierzu gibt es noch eine Anmerkung von Ramming und Schrödel in der Zeitschrift SpuRt (Jahrgang 2002, S. 189 ff.). Daraus soll an dieser Stelle der erste Satz wie folgt zitiert werden: „Die Tatsache, daß es sich bei einem
Radrennen um eine riskante Sportart handelt, bei der Unfälle (schon
fast) zur Tagesordnung gehören, ist jedem Radrennfahrer bekannt.“ |