Diplomtrainer und Sportheilpraktiker:
Der Vierer wird bei der Bahn-WM erstmals seit 1952 Olympia verpassen

Die Iraner sind cleverer: Intrigen und Planlosigkeit im BDR

 

Karl Link ist seit vorigen Sommer pensioniert, bis dahin hatte er den Olympiastützpunkt Stuttgart geleitet. Ein wenig Zeit müsste also sein, die Übertragungen von der am Mittwoch beginnenden Bahnrad-WM in Manchester zu verfolgen. Natürlich interessiert ihn vor allem die Mannschaftsverfolgung über 4000 Meter, 1964 gewann Link bei Spielen in Tokio selbst Gold und begründete damit den Ruhm des deutschen Vierers mit, der seitdem gerne als "Flaggschiff" des deutschen Radsports bezeichnet wird.

Doch Link, 65, weiß natürlich, dass die Auswahl des Bundes Deutscher Radfahrer diesmal nicht ansatzweise eine Siegchance besitzt. Und dass der Verband in England sogar eine der größten Blamagen zu konzedieren hat, wenn man vom Boykott des Vierers bei der Heim-WM 2003 und den weiterhin nicht aufgeklärten Verwicklungen von Trainern, Ärzten und Funktionären in Dopingaffären absieht: Die Deutschen werden am Ende der WM erstmals seit 1952 nicht für Olympia qualifiziert sein.

Link glaubt zu wissen, warum: "Da wurden beim BDR gröbste Stockfehler gemacht, die man eigentlich nicht verzeihen darf." Mit den Verantwortlichen des BDR hatte sich Link vor Ostern in seiner Eigenschaft als Vizepräsident des Württembergischen Radsportverbandes getroffen. Link hat sich für Leif Lampater einsetzen wollen, der schwäbische Bahnfahrer aus Schwaikheim liegt im Streit mit dem BDR. Dahinter steckt eine Geschichte aus Intrigen, Versäumnissen und Bevormundungen, ähnliche Inhalte hatte bereits die Auseinandersetzung der Bahnfahrerin Larissa Kleinmann mit dem BDR - wie Lampater warf er sie aus dem Team für Olympia.

"Ich kannte die Hintergründe in beiden Fällen zunächst nicht", sagt Karl Link, "aber dann fängt man an zu recherchieren." Sein Urteil: "Im Prinzip ähneln sich die Fälle - denn beim BDR gibt es keinen Plan, wie man mit Leuten umgeht." Der Fall Lampaters verdeutlicht wohl ganz gut die Hintergründe für das bevorstehende Debakel von Manchester. Denn die Deutschen, deren Weltcup-Bestleistung diese Saison der siebte Rang von Kopenhagen ist - sie müssten bei der WM mindestens eine Medaille gewinnen und zugleich darauf hoffen, dass die Konkurrenz, vor allem die Franzosen, allenfalls Zehnte werden.

Nur die Top Ten der Rangliste dürfen nach Peking - die Deutschen sind vor der WM Zwölfter. Vor ihnen liegen auch die Ukraine und Iran. Leif Lampater sagt: "Sogar der Iran ist cleverer." Das komplizierte Qualifikationssystem für Olympia sieht vor, dass auch bei Kontinentalwettbewerben wie den Asienspielen Punkte zu erfahren sind. Iran holte dort Punkte. Der BDR indes muss das System spät begriffen haben. So fehlte etwa beim Weltcup in Sydney - wo zudem zwei ausgeglichene statt eines starken Teams starteten - der mehrfache Weltmeister Robert Bartko; er favorisierte in Absprache mit Bundestrainer Uwe Freese das Sechstage-Rennen in Gent.

Freese ist auch Bartkos Heimtrainer in Berlin. Als er dann von BDR-Sportdirektor Burckhard Bremer erfahren habe, erzählt Lampater, dass Bartko auch im Januar in Los Angeles fehle - da habe er ebenfalls abgewunken: Der Aufsteiger der Sixdays-Szene sagte für lukrative Sechstage-Rennen zu. Lampater, 25, dazu: "Da wird die Olympia-Qualifikation ad absurdum geführt, aber ich soll meine persönliche Karriere opfern." Bremer strich ihn darauf aus dem Kader, Lampater habe den Vierer mit seinem Verhalten geschwächt. Über Bartkos Verhalten sind derartige Sätze von Bremer nicht bekannt.

Karl Link sagt: "Der BDR hat die Kriterien für Olympia nicht richtig gelesen, das ist allemal in die Hose gegangen, die Vorbereitung war plan- und ziellos. Und als dann die Punkte fehlen, wird versucht, alles auf Leif abzuladen." Generell beklagt Link die "Konzeptionslosigkeit des BDR, seit 2001 geht es abwärts, es findet keine spezielle Vorbereitung statt und die U23 spielt gar keine Rolle". Eine gute U23 kann bei der EM Punkte holen.

Der BDR erwägt derweil, Lampater aus der Fördergruppe der Bundeswehr zu drängen. Wie dies bei Larissa Kleinmann, 29, geschah. Sie hatte sich zwar bei Bundeswehr und -trainer wegen Verletzung und mentaler Erschöpfung in den Rucksack-Urlaub nach Mexiko abgemeldet, "mein erster Urlaub seit dreieinhalb Jahren", Bremer zweifelte jedoch an der "Ernsthaftigkeit" ihrer Olympia-Vorbereitung.

Die Stuttgarterin, 2006 deutsche Meisterin in der Einer-Verfolgung und Dritte des Weltcups von Moskau, sagt: "Wer nicht spurt, fliegt. Der BDR führt nicht nur einen unglaubwürdigen Kampf gegen Doping, sondern gleichzeitig einen Kampf gegen seine Athleten." In einem offenen Brief schreibt sie außerdem: "Die Welt des Radsports in Deutschland ist erschreckend verstaubt, engstirnig und extrem hierarchisch. Es erinnert mich stark an das indische Kastensystem."

Auch mit Bremer saß Karl Link vorige Woche zusammen. Der BDR-Sportchef soll nach Aussagen des damaligen Bundestrainers bei der Straßen-WM 2000 unzulässige Blutwerte des gedopten Fahrers Patrik Sinkewitz mit vertuscht haben; vor Olympia 2004 hatte Bremer der damaligen BDR-Präsidentin auffällige Werte eines Olympiafahrers verschwiegen. Doch darum ging es vor Ostern nicht mal. "Wir hoffen nur für Leif auf weitere konstruktive Gespräche", sagt Link. "Aber man hat da so seine Bedenken."

Andreas Burkert

Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr. 71, Mittwoch, 26.03.08, Seite 32