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Doping: Profitabler als herkömmlicher Drogenhandel

Sandro Donati legt einen Report über das weltweite illegale Geschäft mit Dopingmitteln vor - und rügt die Bundesrepublik

 

LEIPZIG. Der Fahndungserfolg, den russische Sonderermittler vor zwei Jahren meldeten, galt als eher unspektakulär. Nahe Moskau wurde eine Pharmafabrik geschlossen, offiziell produzierte sie Nahrungsergänzungsmittel für Sportler, in Wirklichkeit Anabolika.

Dutzende solcher Episoden tauchen auf in dem Report über den weltweiten illegalen Handel mit Dopingmitteln, den der italienische Experte Sandro Donati jetzt im Auftrag der Welt-Anti-Dopingagentur (Wada) vorlegte. Wer sich einen Eindruck verschaffen will über das Dopingbusiness, seine mafiösen Verteilerrouten und seine Adressaten, der muss ein Mosaik zusammenfügen. Denn bis heute geben die meisten Staaten, auch die Bundesrepublik, jährliche Drogenberichte heraus, ohne Anabolika, den Blutverdicker Epo oder muskelmachende Wachstumshormone zu erwähnen.

Die Fabrik in Moskau gehörte einem Mafiaclan. Das ROC (Russian Organized Crime) beherrscht den weltweiten Dopinghandel. Geschätzte 20 Prozent aller Dopingmittel kommen über die wichtigste Handelsroute aus Russland nach Westeuropa und Nordamerika. "Ein beispielloses Babel", nennt Donati die internationale Vernetzung.

Übersichtlicher verhält es sich mit den Adressaten der Dopingdealer: rund 37 Prozent sind Sporttreibende, die Mehrheit Heranwachsende in Fitnessstudios, rund 40 Prozent Militärs und Polizisten, außerdem Angehörige des Showbusiness. Dazu kommen 20 Prozent noch immer falsch behandelte Patienten. Die Zahl der Doper schätzt Donati auf weltweit 31 Millionen. Diese Schätzung beruht aber nur auf Angaben aus zwanzig Ländern.

"Muscle makes money", resümiert der Report, er liefert Beispiele, warum das Dopinggeschäft inzwischen profitabler ist als das mit herkömmlichen Drogen. Der bedeutendste europäische Fahndungserfolg, 550 Kilo Anabolika 2002 in Belgien, war 136 Millionen Euro wert. Nur für den Sport bestimmt waren 4,6 Millionen Epo-Ampullen, die 1999 im Lager einer Pharmafirma in Nikosia gestohlen wurden. Wert: mehrere hundert Millionen Euro.

Dieser Fall führt zu einem besonders unappetitlichen Aspekt, zur Pharmaindustrie. "Nur durch die Einbindung des Organisierten Verbrechens", schreibt Donati, sei etwa die offizielle Überproduktion von Epo zu erklären. Sie liegt um das Sechsfache über dem Bedarf echter Patienten. Westliche Pharmamultis macht Donati auch verantwortlich für das Aufblühen eines Archipels dubioser Fabriken in Indien, heute Spitzenreiter der unkontrollierten Anabolikaproduktion.

Giganten wie Organon, Winthrop oder Ciba-Geigy verkauften einst in Indien und 28 weiteren Entwicklungsländern Anabolika - als Rezeptur für unterernährte Kinder. Als die unethische Gewinnquelle ruchbar wurde, zogen sich die Multis zurück. Gleichzeitig schossen einheimische Firmen aus dem Boden. "Eine Tarnung", vermutet Donati, "hinter der sich bis heute multinationale Pharmakonzerne verbergen."

In Asien wachsen die Großmächte der Zukunft heran. An der Spitze steht China, Gastgeber der Olympischen Sommerspiele 2008. Schon zehn Prozent der beschlagnahmten Substanzen kommen von dort, vor allem Wachstumshormone, neuerdings sogar in Form von Sprays.

Die westeuropäischen Staaten verortet der Report eher unter den Konsumenten. Angesichts der gewaltigen Warenströme bemängelt Donati rare Fahndungserfolge in Deutschland, wo Sonderermittler weiter fehlen: "Das deutet darauf hin, dass die Verbindung zwischen Dopinghandel und organisierter Kriminalität nicht verstanden wird."

Dasselbe gilt für die Gesundheitsgefahr. In den USA kommen auf geschätzte 60 Milliarden Jahresumsatz des Dopingschwarzmarktes schon 100 Milliarden für Folgetherapien. Auch davon profitiert, so merkt Donati an, die Pharmaindustrie.

An die Bundesrepublik richtet der Report eine so schlichte wie eingängige Forderung: Der Staat möge doch "die Produktion in den heimischen Pharmakonzernen regulieren". Deutschland exportiert noch immer jenen Dopingklassiker, dessen hohes Suchtpotenzial und medizinische Nutzlosigkeit anderswo zum Verbot geführt hat: Anabolika.

Der Donati-Report im Internet

Quelle: Berliner Zeitung, 22.03.2007, von Grit Hartmann