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Anti-Doping-Gesetz in Deutschland: Querstellen unmöglich

Doping soll in Deutschland künftig strafbar sein, das gefällt nicht allen. Von Christopher Keil und Thomas Kistner

Der Sport muss gute Miene machen zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes. Dieses zielt auf die Athleten im Testpool der Nada - und auf alle, die im Sport gut verdienen. Vor der Sommerpause 2015 könnte Deutschland ein Gesetz bekommen, das seinem Inhalt nach weitreichend wäre.

Aufregende Zeiten für den deutschen Spitzensport, die Bundesregierung verschärft die Doping-Bekämpfung. Was im Koalitionsvertrag vereinbart ist, liegt nun als Referenten-Entwurf für ein hartes Anti-Doping-Gesetz vor, abgestimmt zwischen Justiz- und Innenministerium. Die neue Strafregelung rückt anstelle der Hinterleute den Athleten selbst in den Fokus, sie verfügt ein generelles Dopingverbot in Training und Wettkampf. Dopenden Sportlern drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe und bis zu zwei, wenn sie Dopingmittel besitzen - denn künftig gilt auch eine uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit.

Der Entwurf tritt nun den langen Weg durch die Instanzen an, die öffentliche Debatte läuft bereits. Politiker, Sportjuristen und einzelne Sportfunktionäre wie Clemens Prokop, Chef der deutschen Leichtathleten, begrüßen die Initiative sehr. Doch ist im Lager der Betroffenen vor allem starke Reserviertheit spürbar, besonders beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der Dachverband war nie ein Verfechter echter Gesetzesverschärfungen, er konnte sehr gut leben mit den bisher äußerst vagen Verbotsvorschriften, die im Arzneimittelgesetz verankert sind. Diese zielen nur auf die Hintermänner des Betrugs ab.

Entwurf für Anti-Doping-Gesetz "Das wäre ein großer Schritt"

Der Entwurf des Innen- und Justizministeriums für ein Anti-Doping-Gesetz geht erstaunlich weit. Demnach soll Doping zum Straftatbestand werden - bei Verstößen droht eine Freiheitstrafe bis zu drei Jahren.

Den dopenden Athleten hingegen stellen die noch gültigen Bestimmungen faktisch straffrei - dank der bizarren Formulierung: Verboten ist für Spitzensportler nur der Besitz von "nicht geringen Substanzen". Dem Staatsanwalt sind also im Ernstfall die Hände gebunden, denn die "nicht geringen" Substanzmengen sind in der definierten Konzentration gar nicht auffindbar im Athletenkörper - jedenfalls nicht in einem lebenden Körper. Passend dazu war die Einführung der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit bei der DOSB-Vollversammlung Ende 2013 mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Künftig jedoch muss, unter der neuen Maßgabe der unbeschränkten Besitzstrafbarkeit, in einem Dopingfall der Staatsanwalt ermitteln. Und zwar mit allen staatlichen Instrumenten, was Durchsuchungen, Verhöre und weitere Maßnahmen umfasst. Dabei zielt der Entwurf auf einen klar definierten Kreis: Alle im Testpool der Nationalen Anti-Doping-Agentur versammelte Athleten sowie alle, die "in erheblichem Ausmaß mit Sport Geld verdienen". Das zu schützende Rechtsgut ist "der faire Sportwettbewerb". Im Begriff "Chancengleichheit" steckt der wirtschaftliche Aspekt - bei der Begründung herrscht womöglich noch Nachbesserungsbedarf durch das Justizministerium.

Am Dienstag gab der DOSB eine Stellungnahme seines Präsidenten heraus. "Sobald uns der Referentenentwurf und seine Begründung offiziell vorliegen, werden wir uns eine Meinung bilden und unsere Mitgliedsorganisationen informieren", teilte Alfons Hörmann mit. "In die dann anstehenden Anhörungen von Bundesregierung und Bundestag werden wir unsere Bewertungen einbringen."

Vesper arbeitet hinter den Kulissen

Einer Bewertung des Entwurfs enthält sich der DOSB-Chef ausdrücklich. Lob an keiner Stelle, die Einsicht in die Notwendigkeit straffrechtlicher Verschärfungen ist nicht erkennbar beim DOSB. Andererseits, richtig querstellen kann er sich auch nicht, also wird Geschlossenheit mit der Politik gemimt. Man habe "das gemeinsame Ziel vereinbart, die in der Praxis bereits sehr gute und intensive Zusammenarbeit von Sport und Staat für einen Sport ohne Manipulation auch gesetzlich noch klarer als bisher zu regeln", heißt es im DOSB-Text - und zu begrüßen sei, dass die bislang "abstrakte Diskussion" nun endlich konkret geführt werden könne.

Ressentiments aus dem Sport dürfen also erwartet werden, wenn der Entwurf im ersten Schritt nun zur Verbände-Anhörung an die betroffenen Institutionen und Lobbygruppen gerät. Schon wird geraunt, dass DOSB-Generaldirektor Michael Vesper in den Berliner Kulissen zugange sei. Auch über möglichen Druck aus dem Haushaltsausschuss auf die Kollegen im Sportausschuss wird spekuliert. Aber verhindern lässt sich das auch von vielen Sportlern gewünschte Anti-Doping-Gesetz nicht mehr. Die zuständigen Ministerien sind sich einig.

Auf die Verbände-Anhörung folgt die 1. Lesung des Entwurfs im Bundestag, das könnte im Januar 2015 geschehen. Es folgen die Ausschüsse, in dieser Phase wird es auch eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf im Bundestag geben, mit externen Experten. Danach kann es noch Änderungsanträge geben. Es folgen die 2. und 3. Lesung im Bundestag, dann gelangt der fertige Entwurf ins Bundesgesetzblatt. Vor der Sommerpause 2015 könnte Deutschland ein Anti-Doping-Gesetz bekommen, das seinem Inhalt nach weitreichend wäre.

Klar ist für alle am Entwurf Beteiligten, dass das Gesetz die Sportgerichtsbarkeit nicht deckeln oder beschädigen dürfe. Der Sport soll seine Autonomie behalten. Ebenso müsse der Staat, heißt es in Berlin, die Abläufe des gesellschaftlichen Lebens regeln, auch mit den Mitteln des Strafrechts. Das ist der Kernaspekt. Den DOSB-Granden wird er kaum gefallen.

Quelle: www.sueddeutsche.de/sport     vom 3. Oktober 2014

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