Diplomtrainer und
Sportheilpraktiker: Verhaltenskodex
"Fahren in der Gruppe"
Im Folgenden
habe ich mir überlegt, was so die wichtigsten Dinge für ein unbeschwertes
und v.a. unfallfreies Fahren in der Gruppe sind.
1)
Verlassen der geraden
Fahrlinie und plötzliche Bremsungen besonders in den vorderen Positionen
sind absolut tabu, außer in Notfällen. Das bedeutet eine hohe
Verantwortung für die Führungsleute einer Gruppe, derer sie sich
auch bewußt sein müssen. Vorausschauendes Fahren und der konzentrierte,
hellwache "Rundumblick" sind notwendig, um die Hintermänner nicht
zu gefährden. Auch die schönste Helmpflicht schützt nicht
vor schweren Verletzungen und garantiert mitnichten eine harmonisch rollende
Gruppe!
Vorausschauend bedeutet z.B.,
daß man um Kanaldeckel und Löcher in der Straße in einem
groß angelegten Bogen herumfährt (eben die gerade Fahrlinie)
und diese auch mit der entsprechenden Hand anzeigt (indem man frühzeitig
auf das Loch deutet) und nicht durch den allseits beliebten plötzlichen
Haken ausweicht! Oder daß man nicht wie ein Stier als Führungsmann
auf eine rote Ampel draufzuheizt und dann plötzlich die Eisen reinhaut,
sondern frühzeitig die Hand in die Luft hebt, "Ampel" ruft und ein
langsames Verzögern einleitet.
2)
Akkurates Mittel, um Schlenker
und Auffahrunfälle aus 1) zu vermeiden, ist richtiges Anzeigen und
Hinweisrufe. Diese sollen deutlich wahrnehmbar, aber nur angemessen spektakulär
sein. Man bedenke: jeder Warnruf bedeutet ein Streßsignal, für
einen, der hinten am Limit gerade noch dranklemmt und sowieso sehr schlecht
sieht, ist das u.U. der Auslöser für eine Überreaktion,
außerdem besteht die Tendenz, auf dem Wege des Zeichens vom Gruppenanfang
bis zum Gruppenende aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Selbstverständlich
müssen diese Hinweise auch von vorne nach hinten oder auch von hinten
nach vorne unverfälscht weitergegeben werden (Kommunikation in der
Gruppe!).
Nur als Beispiel: es macht
wenig Sinn, auf einer breiten Straße bei einem entgegenkommenden
KFZ "Auto" zu schreien und die Gruppe dadurch nervös zu machen. Sehr
sinnvoll ist es hingegen, beim Überholen der radelnden Oma a) frühzeitig
und mit vorherigem Blick nach links (wie beim Autofahren!) den geeigneten
Seitenabstand herzustellen (ohne Haken in der Fahrlinie!) und dann b) die
Hinterleute in diesem Fall mit der rechten Hand zu warnen.
Hinweis: in diesem Fall wird
nicht hingedeutet wie beim Loch in der Straße, sondern es wird "weggewunken",
gilt allgemein für Hindernisse auf der rechten wie auf der linken
Seite des Radlers ("Wegwinken", z.B. wie in unserem Beispiel bei "Oma rechts":
man führt die rechte Hand an der Hüfte vorbei kreisförmig
um das Becken herum nach links - Handinnenfläche zeigt nach links
und man will damit seinem Hintermann sagen: da ist ein Hindernis auf der
rechten Seite, halte Dich besser genau hinter mir oder besser noch leicht
links versetzt von mir auf).
3)
Neben der Pflicht, immer
geradeaus zu fahren oder Hindernisse bzw. Richtungsänderungen (abbiegen!)
anzuzeigen, ist es in einer Gruppe, sei es in einem großen Feld in
freier Formation, einer Doppelreihe oder in einer Reihe Vorschrift, sein
Tempo gleichzuhalten. Laufe ich z.B. aufgrund eines leichten Gefälles
auf meinen Vordermann auf, so bremse ich nicht hektisch, sondern lasse
leicht seitlich, möglichst auf der Windschattenseite, vorbeirollen
und dosiere meinen Tritt entsprechend (z.B. minus 10%). So kommt es zu
keinem gefährlichen "Ruck" in der Gruppe. So wenig wie möglich
bremsen, möglichst alles über die Trittdosierung regeln!
4)
Kein großes Geheimnis
ist die richtige Ablösetechnik, für manche aber scheinbar ein
Buch mit sieben Siegeln. Hier sind schon ganze Gruppen "niedergemäht"
worden! Grundsätzlich bestimmt die Windrichtung die Ablöseseite
und dies weiß am besten der zweite Mann in einer Reihe! Also, die
richtige Reihenfolge für das Ablösen aus der ersten Position
einer Reihe:
a) Kurz vor dem Ende der
Führung Blick durch die Beine auf mein Hinterrad: auf welcher Seite
fährt der Hintermann? Fährt er z.B. wegen des Windes überlappend
rechts, so löse ich nach links ab (es ist kein Fehler, wenn der 2.
Mann dem Führenden zuruft, auf welche Seite er abzulösen hat.
b) Bevor man ablöst,
sollte man - besonders wenn man dieses nach links in den laufenden Verkehr
hinein vorhat - einen kurzen Blick über die Schulter tun - wirkt lebensrettend!
Um es dann ganz deutlich zu machen, kann man wie beim Auto noch den „Blinker“
setzen: Kurzes Wedeln mit dem Ellenbogen auf der Seite, auf der ich herausfahren
möchte.
c) Und dann wird nicht urplötzlich
mit einem Riesenhaken in die Straße hinein abgelöst, sondern
- man bedenke Grundregel Nr. 1 (gerade Fahrlinie einhalten!) - man steuert
allmählich etwa zwei bis drei Lenkerbreiten zur Seite (denn die schnellere,
dann eng vorbeifahrende Reihe soll ja auch von der Luftblase des Ablösenden
etwas haben) und läßt (erst dann!) deutlich einen Tritt aus.
Ist doch alles nicht so schwer!
5)
In der Doppelreihe läuft
die Geschichte aufgrund des heutzutage herrschenden dichten Verkehrs etwas
anders. Es ist unverantwortlich, wenn bei einer Ablösung nach links
und rechts vier Radler je nach Länge der Gruppe eine ganze Zeit lang
zu viert nebeneinander fahren. Da ist der beste Autofahrer überfordert!
Unabhängig von der Windrichtung
lösen beide Fahrer des Führungspärchens mit einem kurzen
Antritt nach rechts ab, wobei der linke Fahrer sich vor den rechten setzt.
Einmal zur Seite gefahren, lassen die Ablösenden ein paar Tritte aus
und setzen sich wieder an das Ende der Gruppe. Vorteil: die vorbeifahrende
Gruppe deckt die Ablösenden gegen den Verkehr und man hat nur maximal
drei Fahrer kurzfristig nebeneinander. Außerdem hat man den Vorteil,
daß so auch einmal die Seiten innerhalb des Pärchens gewechselt
werden (Seitenwind!). Übrigens haben Gruppen ab 15 Radler laut § 27 der StVO
eine Doppelreihe zu bilden (sog. "Geschlossener Verband")!
6)
Fast am sichersten für
eine Gruppe ist die Ablösung im belgischen Kreisel, da hier immer
nur maximal zwei Fahrer nebeneinander sind. Auf diese fortgeschrittene
Technik soll in diesem Rahmen hier nicht eingegangen werden, außerdem
macht dies nur Sinn bei einem zumindest mittlerem Tempo.
7)
In einer Gruppe (Feld,
Reihe oder Doppelreihe) werden "gefährliche" Tätigkeiten wie
An- und Ausziehen der Windjacke, Herauspulen des verklebten Riegels aus
der Trikottasche, Telefonieren (eigentlich tabu!), etc. immer am Gruppenende,
noch hinter dem letzten Pärchen und ohne Nachbarn, eventuell sogar
noch mit einem Abstand zur Gruppe erledigt. Und dies auch nur, wenn man
sich sicher fühlt, sonst steigt man besser ab!
8)
Nicht umsonst hat die
UCI Auflieger, Spinacci, o.ä. bei Rennen mit Massenstart wegen der
Sturzgefahr verboten! Deren Benutzung in einer Gruppe ist (auch in der ersten oder letzten Position)
streng verboten! Man kann einfach nicht so gut steuern und ist auch nicht
100%ig bremsbereit. Außerdem nervt es den Partner in der Doppelreihe
total, wenn er neben einem Fahrer in Zeitfahrposition nebenherhecheln muß
- ein von vornherein ungleiches Paar. Oder der tolle Hecht hat Pech und
gerät an einen Starken, der mal so richtig dagegenhält - dann
wird das Tempo garantiert sehr hoch und die Gruppe fliegt eventuell auseinander!
Also: bringt nur Unruhe, weglassen!
9)
Wenn man sich in einer
Gruppe umdrehen will, legt man immer die Hand auf die Schulter des Nachbarn
(zum Halten des Seitenabstands)! Somit ist garantiert, daß man die
gerade Fahrlinie nie verläßt.
10)
Kurven: Es empfiehlt
sich dringend, vor dem (frühzeitig angekündigtem) Abbiegen die
Abstände etwas zu vergrößern, denn wie beim Autofahren
kommt es zum Ziehharmonikaeffekt und damit zur Gefahr des Auffahrunfalls.
Wenn es darüber hinaus unübersichtlich ist, muß man immer
mit einem plötzlichen und starken Bremsen der Vorderleute rechnen!
11)
Zusammenwarten: Selbstverständlich
bedeutet Gruppentraining nicht andauerndes Formationsfahren quasi wie im
militärischen Drill. Es ist normal, daß z.B. eine Doppelreihe
im Verlaufe einer Steigung zerfällt und es soll ja auch so sein, daß
man sich einmal ausbelastet. In unserem Beispiel würden jetzt die
Mitglieder der Gruppe alle einzeln am Kulminationspunkt ankommen. Damit
sich nun eine Gruppe am schnellsten wieder findet, sollten jetzt die Stärksten
eine Sonderschicht fahren:
Umdrehen und den Berg bis
zum Allerletzten wieder hinunterrollen, dann wieder hochfahren. So kommen
alle ungefähr gleich oben an. Oder, wenn es sich nur um eine Welle
oder um eine schnelle Phase im Flachen handelt: dann wird eben vorne mal
etwas gebummelt, bis die Hinteren aufgeschlossen haben. D.h. aber durchaus,
daß diese sich wirklich bemühen sollten, den Anschluß
schnell herzustellen (also Lenker unten, Gang rein und wirkungsvolles Ablösen)!
"Lenker oben" pomadig hinterherfahren (meist ist die Ausrede: „ich fahre heute
nur G1!“) und erwarten, daß die Gruppe ewig wartet, das nervt!
12)
Abmelden: Eine üble
Unsitte ist es, von einer Gruppe einfach abzudrehen. Wenn man nur wenig
Zeit hat oder es geht einem recht schlecht, dann sollte man das allgemein,
insbesondere dem Gruppenleiter bekannt geben, damit man sich keine Sorgen
über ein plötzliches Verschwinden des Betreffenden machen braucht.
Bei akutem "Schwächeln":
Das ist durchaus legitim und man kann sich nach den Gesetzen der Trainingslehre
ja auch nur steigern, wenn man mit Stärkeren mitfährt. Das heißt
also, daß man nicht mitführt. Wenn dem so ist, dann aber auch
konsequent: nicht mit durch die Reihe fahren und dann vorne als stehendes
Hindernis stören, um dann gar noch abzuplatzen. Lieber 9 Führungen
hinten auslassen und dann jede 10. wieder einreihen, aber nicht z.B. mitten
in der Gruppe Löcher reißen lassen. Lieber mal eine ganze Trainingseinheit
hinten "draufliegen" und sich "mitschinden", beim nächsten Mal geht
es dann schon wieder ein bißchen besser!
13)
Verhalten bei Defekt:
Folgende Unsitte ist immer wieder zu beobachten. Jemand hat Defekt und
mindestens die halbe Gruppe scharrt sich dann in einer Blase um den Defektianten, möglichst
noch unter Vollsperrung der Straße, meist
nur um sich auszuruhen, natürlich aber v.a. um dem "Armen zu helfen"
und ihm verbale (unerwünschte) Unterstützung zuteil werden zu
lassen. Dies meist auch noch auf möglichst unübersichtlichen
Straßen (Kurven, Engstellen, etc.). Wer schon mal gehört und
gesehen hat, wie das ist, wenn ein Auto in eine solche Gruppe hineinfährt,
versteht das folgende nur zu gut:
Bei Defekt eines Einzelnen
und vorausgesetzt, dieser braucht wirklich nicht zusätzliche Hilfe,
fährt die ganze Gruppe ungerührt etwa 5 km weiter und dreht dann
um, dem Defektianten entgegen. Im Normalfall kommt der schon wieder lustig
angeradelt, es wird wieder gewendet, man hat ein kleines Sicherheitsrisiko
und den geringstmöglichen Bruch im Trainingsrhythmus. Setzt natürlich
voraus, daß jeder Pumpe und mindestens 1 Schlauch dabei hat! Bewährt
hat sich auch das Mitführen von Flicken eines Unterlegmaterials (Stück
alter Mantel), falls
der Mantel mal gröber beschädigt ist.
14)
Im Winter ist es oft
kalt und naß! In der Gruppe ist das Fahren mit Schutzblechen Pflicht (bei
Rennfahrern die gesamte Vorbereitungsperiode von Anfang November bis zum ersten
Rennen Ende März, eventuell sogar auch länger!),
schon auch um das Gesundheitsrisiko (Erkältung) für den Einzelnen
zu minimieren und um den Fahrspaß zu maximieren. Dabei müssen
Serienschutzbleche hinten möglichst lang mit einem Stück altem
Schutzblech oder mit einem Stück Reifenmantel verlängert werden,
sonst sifft es den Hintermann immer noch zu!
© Hardi, Juli 2001
|