Kölner Forscher haben Dopingtests für Insulin und Synacthen entwickelt - doch die Welt-Anti-Doping-Agentur zeigt kein Interesse, sie in Peking einzusetzen. Auch ein Epo-Experte beklagt, dass seine Erkenntnisse ignoriert werden. Führende Doping-Forscher zweifeln massiv die Glaubwürdigkeit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) an. Dies geht aus Recherchen des stern hervor. So wirft Mario Thevis, 34, Professor für Präventive Dopingforschung an der Sporthochschule Köln, der Wada vor, seine neu entwickelten Testverfahren auf Insulin- und Synacthen-Doping nicht bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking einsetzen zu wollen. Das Verhalten der Wada-Vertreter sei "absurd", sagte Thevis dem stern. "Reden und Handeln sind bei der Wada offensichtlich verschiedene Dinge. Erst fördert sie unseren Insulintest mit 300.000 Euro und jetzt will sie nichts mehr von ihm wissen." Doping mit tödlichen NebenwirkungenInsulin sorgt dafür, dass mehr Glukose aus dem Blut in die Zellen eingeschleust wird – eine ideale Betrugssubstanz bei höchsten Belastungen. Falsch dosiert, kann es beim Athleten zum tödlichen Schock führen. Marion Jones, dreifache Olympiasiegerin von Sydney 2000, gab im vorigen Herbst zu, sich unter anderem Insulin gespritzt zu haben. Positiv getestet wurde sie nie. Synacthen, gemäß der Geständnisse im Radsport offenbar unter Radprofis weit verbreitet, fördert die Ausschüttung der Nebenrindenhormone, es sorgt für Euphorie, lässt den Schmerz vergessen. Nebenwirkungen: unter anderem Psychosen, Thrombosen, Krampfanfälle. "Alle guten Werkzeuge nutzen, um den Sport sauber zu bekommen"Unterstützung erhält der Kölner Forscher Mario Thevis von Don Catlin, Mitglied der Wada-Kommission für Wissenschaft und Medizin, der den entscheidenden Gremien der Wada vorwirft, die Analytiker nicht ernst zu nehmen: "Sie sagen uns nicht, warum sie einen Test anerkennen und einen anderen nicht. Wir können nur zuhören, argumentieren und auf ihre Integrität vertrauen." Der US-Forscher stuft die neuen Analyseverfahren der deutschen Kollegen als seriös ein. "Aus Köln kenne ich seit Jahren nur fundierte Arbeit." Francesco Botré, Chef der World Association of Anti-Doping Scientists, die alle 33 von der Wada akkreditierten Labore und unabhängige Forscher vereint, sagte der Zeitschrift, die Verweigerungshaltung der Wada sei "nicht nachvollziehbar. Wir sollten eigentlich alle guten Werkzeuge einsetzen, um den Sport sauber zu bekommen." Wada ignoriert auch andere Forscher Der Lübecker Physiologie-Professor Horst Pagel, der als Epo-Experte gilt, erklärte, auch Erkenntnisse seines Instituts würden von der Wada ignoriert. "Wir könnten ja längst alle Epo-Formen nachweisen, aber der Wada geht es um business as usual. Erwischt werden sollen nur ein paar Athleten. Die präsentiert man dann zur Beruhigung des Publikums als die Bösen. Der große Rest kann in Ruhe weitermachen wie bisher." Während die Wada tatenlos bleibe, habe beispielsweise der Radsport-Weltverband UCI schon Urinproben von Athleten mit der Bitte um Überprüfung auf Insulin an sein Labor geschickt, sagte Mario Thevis dem stern. Artikel vom 26. März
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